02.08.16

Aufgeben ist (k)eine Möglichkeit?!




Viele Läufer kennen das Gefühl, wenn man sich an einem Tag zu viel vorgenommen hat. Solange man im Training ist, besteht die Möglichkeit einer "Abkürzung" oder "Gehpause". Im Wettbewerb ist es jedoch etwas anderes. Hier besteht der Druck zu bestehen. Immerhin hat man ja  vielen Freunden, von den eigenen Zielen, erzählt. Was im englischen Sprachbereich mit einem emotionslosen DNF für "Did Not Finish" bezeichnet wird, wurde schon für viele zum Trauma!

Aufgeben ist (k)eine Möglichkeit ?!  (Bildquelle: mygoal.de"
Dieser Post handelt von verschiedenen Möglichkeiten, wie man vor Erreichen der Ziellinie aus dem Rennen ausscheidet, oder  "ausgeschieden wird"!

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Von hinten droht der "Besenwagen"!
Zumindestens bei Stadtmarathons gibt es klare und strikte Regeln, wann  die Strecke "frei von Läufern" wieder für den Verkehr freigegeben wird. Die Zielschlußzeiten definieren die maximale Zeit, die zur Verfügung steht! New York bildet hier eine rühmliche Ausnahme. Gerade im "Big Apple" lässt man den Läufern am Ende des Rennens alle Zeit, die sie benötigen, um das Ziel im Central-Park zu erreichen. Versorgungsstände, Medallienübergabe und Getränke hinter der Ziellinie sind zwar schon verschwunden, aber immer noch "laufen" unermüdlich die "stillen Helden" der  Marathonstrecke entlang der Blue-Line durch die Stadt. Amerikaner lieben diese "Heroes" und der Applaus ist ihnen sicher!


fröhliche "Gejagte" vor dem "Besenwagen" beim SWB-Marathon in Bremen
 (Bildquelle: Bild online Foto: Holger Blöhte) 

Gejagte im Läuferfeld
Bei fast allen anderen Marathonläufen sind die letzten oft die Gejagten. Von hinten nähert sich bedrohlich der "Besenwagen", der alle einsammelt, welche die Zielschlußzeit vermeintlich nicht erreichen werden. Unvergessen ist für mich die Geschichte einer Läuferin beim Kölnmarathon, die mir berichtete, wie sie über 45 Minuten als letzte des Gesamtfeldes vom Besenwagen "begleitet" wurde. Der Busfahrer meinte es wohl gut mit Ihr und sprach Sie auf Kölsch durch das  offene Seitenfenster immer wieder an: Mädchen - Quäl dich doch nit su! Du  bes su wig hinge! Fahr doch mit mir mit! Erleichterung endstand erst, als Sie eine langsamere Läuferin überholte und sie für längere Zeit, vor dem besorgten "Retter", geschützt war!

BESENWAGENBESIEGER I Bildquelle: RheinEnergieMarathon Köln Helferinformation

Unbarmherzige Course-Marshals als Sheriffs am Streckenrand
Beim Tokyo-Marathon gibt es noch eine Besonderheit zu  beachten. Läufer, die den definierten Zielschluß von 7 Std. in ihrer Planung als  kalkulierte Endzeit im Visier haben sollten folgendes  beachten:

Hier geht man davon aus, dass jeder Läufer mit dieser Zielzeit zum Ende langsamer wird. Das jemand diese Zielzeit durch eine gleichmässige Pace über die gesamten 7:00 Std. erreicht  wird nicht adäquat berücksichtigt. Dies bedeutet, dass man an verschiedenen Kontrollpunkten eine im Vorfeld festgelegte Zeit bereits erzielen muss (schneller als die gleichmässige Pace!) Die vorgebenen notwendigen "Zwischenzeiten" sind im Programm zu finden. Besonders ungerecht: Die Zeit läuft ab dem Startschuß! Wer 20 Minuten später über die Startlinie läuft hat bereits diese Zeit "auf seinem Konto"!

Wer die Zwischenzeiten nicht erreicht,  wird, "ohne Gnade", aus dem Rennen genommen! Mir wurde dies durch die Erzählungen eines Läufers  beim Tokyo  Marathon 2016 bewusst . Dieser verfolgte die Strategie eines langsamen gleichmässigen Lauftempos und schwörte darauf, dass er dies bis zu km 42,2 durchgehalten hätte.


Kontrolleure am Startblock / Course-Marshals auf der Strecke

Bei der Kontrolle um km15 wurde er  jedoch von den "Course-Marshals " aus dem Rennen genommen. Dabei zeigte man keinerlei Rücksicht. Egal, ob man  aus Tokyo stammt, oder gerade um die "halbe Welt" geflogen war, nur die reine Durchgangszeit zählte! Den ersten Marshal konnte er noch umlaufen, um danach zwei weiteren direkt "in die Arme" zu  geraten. Diese begleiteten Ihn in einen bereitgestellten Bus und das Abenteuer  Tokyo-Marathon endete tragisch & absolut niederschmetternd mit einer ungewünschten Busfahrt zum Ziel‼



Das es anderen Läufern ähnlich erging zeigt folgender Post: 
 


Der Mann mit dem Hammer wartet ab km30
Denkt daran, wenn Ihr auf die harten Kilometern ab km 30  im Rennen ankommt! Hier gehen die Glykogenreserven  zur Neige und die Energie aus der Fettverbrennung wird immer wichtiger. 
Einmal bin ich dem Hammermann mit voller Wucht begegnet.  Beim Marathon in Bonn 2002 wollte ich unbedingt meine Bestzeit aus 2001 (Berlin) von 03:14 Std unterbieten und bin mit dem Ziel die 03:10 Std. zu knacken ins Rennen gegangen. Gegen alle meine Vorsätze, dass Rennen ruhig zu  beginnen und später (2te Hälfte) schneller zu  werden, hatte ich mir die notwendige Pace  errechnet und wollte Sie von Beginn an kontinuierlich laufen. Ständig genau auf die notwendigen Zwischenzeiten achtend ging das Ganze etwas länger als 32km gut. 
 
Der Mann mit dem Hammer I  The dreaded Wall I  Hitting the Wall

Und dann war er da! In Bonn-Poppelsdorf waren die Energiedepots leer und ich quälte mich mühsam Kilometer um Kilometer weiter. immer wieder dachte ich ans aufgeben. Zu Fuß wäre ich schnell  im Zentrum. Stattdessen zog sich die Marathonstrecke über die Viktoriabrücke in den Bonner Norden. Ich war kurz vor dem Aufgeben! Sehr mühsam habe ich mich aus dem "tiefen Loch" herausgezogen. Bei km38 habe ich einem Zuschauer eine kleine Flasche Cola "abgeschwatzt" und hatte für kurze Zeit "schnell verfügbaren Zucker". Am Ende hat mich ein starker Wille über die Strecke gerettet und bin am Ende noch in einer achtsamen Zeit von 03:18 Std. im Ziel angekommen! Ich kann jedoc h seit diesem Tag verstehen,wenn jemand in dieser Situation aufgibt!

"Hungerast oder "Hochmut kommt vor dem Fall"!?
Es dauerte 12 Jahre bis ich zum nächsten Mal einen entscheidende Fehler in einem Rennen machte und dadurch das vorzeitige Ausscheiden riskierte. Dummerweise  war es bei meinem fünften World Marathon Major Lauf 2014 in London. Wie üblich hatte ich am frühen Marathonmorgen wenig Appetit. Mein größter Fehler war jedoch, dass ich die Teilnehmerinformationen nicht aufmerksam gelesen hatte - ein unverzeihlicher Fehler. Es gab beim London-Marathon keine Essensverpflegung an der Strecke (keine Bananen, Riegel oder Äpfel). Mit geringer Grundlage stieg ich also frühmorgens in den Bus. Mein zweiter großer Fehler war, dass ich mir, außer einer Banane, vom Frühstücksbüffet nichts für die relativ lange Wartezeit im Startbereich eingepackt hatte!
Dort merkte ich bereits, dass meine sonst so gute Vorbereitung, diesmal durch schlimme Fehler ruiniert werden könnte. Ich bekam nach einiger Zeit Hunger! So richtig schlimm wurde es jedoch erst bei km 30! Ich hatte das Gefühl, dass mich ein "Hungerast" zum Aufgeben zwingen würde! Und nun folgte der dritte Fehler (bzw. "die größte Blödheit" ). In Panik griff ich gierig 3-4 mal in die, von Zuschauern herausgestreckten Fruchtgummitüten. Meine "akute Unterzuckerung" war zwar bekämpft, aber natürlich nur sehr kurzfristig! Dann tauchte das nächste  Problem auf und mir wurde übel! Um nicht aufgeben zu müssen, reduzierte ich das Tempo stark und gönnte mir an den "Verpflegungsstellen" kurze Gehpausen! Bis zum km 37 quälte ich mich über die Strecke.  



Definitiv habe ich in London "sehr viel Lehrgeld gezahlt"Aufgrund der deutlichen Reduzierung  des Tempos und der damit verbundenen Aufgabe aller Zeitziele konnte ich den Marathon jedoch "ehrenvoll" beenden. 

Laufen bis zur völligen Erschöpfung!?
Bei  Laufanfänger ist  Ergeiz jedoch ein schlechter Ratgeber. Von Muskelkrämpfen, Übelkeit oder Flüssigkeitsverlust  geplagt sollte man sich nicht "bis zum bitteren Ende" über die Gesamtdistanz quälen. Beim nächsten Mal kann man besser trainiert sein Ziel erreichen! Besonders erschreckend sind mir die letzten Kilometer des Chicago-Marathon 2011 in Erinnerung geblieben. Zum Ende des Rennens wurde es unangenehm heiß und der  Flüssigkeitshaushalt wurde heftig strapaziert. Auf der kilometerlangen Geraden in Richtung Ziel lagen viele Läufer am Wegesrand und mussten von den Sanitätern teilweise mit Kochsalz-Infusionen  behandelt werden. Obwohl ich nicht so stark unter der Hitze litt, entschied ich mich den Rest der Strecke in ruhigerem Tempo zu laufen. Ich habe das Ziel gesund und glücklich erreicht, aber mein erstes Ziel, nach einem alkoholfreien Bier, war ein Platz im Schatten!


"Hitzeschlacht"  in Chicago 2011

"Geschlechtsspezifischer Wahnsinn" 
In Köln hatte ich mich beim Marathon einmal auf die Zieltribüne gesetzt, um die Läufer mit Zielzeiten über 5:30Std. zu "bejubeln". Ich habe großen Respekt vor allen, die sich über die 42,2km kämpfen. 


Nichts geht mehr bei km38 (Bildquelle: Marathon4you.de)
Verwundert  musste  ich jedoch feststellen, dass es bei dieser Zielzeit immer wieder zu unsinnigen Spurts  auf der  Zielgeraden kam. Allem Anschein nach, handelt es sich hier um einen "geschlechtsspezifischen Wahnsinn". Ausnahmslos jeder "Tempoläufer" auf den letzten Meter  war ein  Träger eines Y-Chromosoms! Ich verstehe nicht was "Man"  sich nach 42km noch beweisen muss. Einem wurde seine Verrücktheit kurz vor dem Ziel fast zum Verhängnis.  100m vor dem Ziel  stürzte er, aufgrund eines schmerzhaften Wadenkrampfes, direkt vor der  Haupttribüne. Sanitäter aus dem Zielbereich sorgten sich sofort um ihn. Dann wurde die Szene regelrecht Hollywoodreif, als seine Freundin/Frau direkt von der Tribüne, über die  Bande zu Ihrem Liebsten eilte  und ihm mit einem liebevollen Kuss, neue Kraft gab!
Mit vereinten Kräften, ein schmerzegeplagter Läufer, zwei Sanitäter als Stütze rechts und links und eine händchenhaltende Partnerin schafften die 100m bis zur Ziellinie und ein weiterer "Finisher"  nahm seine Medaille überglücklich in Empfang.


Geschafft! -Wien Marathon - "Heldenplatz" (Bildquelle: active.com)

Bis bald

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