30.09.17

EXTREM DEHNBAR "by nature" I Hilft Dehnen immer?!

Rund um das Thema Dehnen/Stretching  gibt es sehr viele unterschiedliche, teils widersprüchliche Aussagen. Vieles hat sich in den letzten Jahren verändert, aber nicht wenige LäuferInnen kennen  die "alten Zöpfe" noch zu gut und haben sich von den gewohnten Abläufen noch nicht trennen können. Dieser Post sollte eigentlich ein wenig Klarheit schaffen und Tipps für den richtigen Einsatz von Dehnungsübungen bereitstellen. Es ist jedoch, wie häufig, ein sehr komplexes Thema. Deshalb soll der Post nunmehr dazu beitragen, dass man die Idee eines modernen Gesamtkonzept aus Stretching, Kräftigung & Stabilisierung kennenlernt.






Dehnen, Stretching: Sinn oder Unsinn!?
In den meisten Übersichten findet man die Aussage: Dehn- und Lockerungsübungen sind ein unverzichtbarer Teil des Trainings und können.......
  • das Verletzungsrisiko minimieren (Verletzungsprophylaxe -in Verbindung mit Kraftübungen)
  • die Beweglichkeit erhöhen
  • die Regeneration nach dem Training verbessern
  • die natürliche Grundspannung der Muskeln unterstützen
  • das Körpergefühl fördern


Zum Thema Regeneration geht man heutzutage davon aus, dass Dehnungsübungen den Muskelkater nicht verhindern können. Vielmehr wird der muskuläre Schaden (feine Risse) nach einer harten Trainingseinheit eher erhöht. Die Empfehlungen gehen mittlerweile dahin, dass man eher ein lockeres Auslaufen empfiehlt! Tipp: Je härter das Training, desto leichter und schonender sollten die Dehnübungen danach sein. Nach einem anstrengenden Training haben sich in den Muskeln feine Risse gebildet, die durch zu starkes Stretching noch verstärkt werden könnten. Bei leichtem Training kann das Nachdehnen dagegen intensiver sein. (weitere Infos: siehe unten)


Warum sollen wir uns dehnen?
Während einer Laufeinheit steigt die Grundspannung des Muskels an, um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Bei vielen Läufern verkürzt sich jedoch die Muskulatur mit der Zeit. Die Folge einer verkürzten Muskulatur ist, dass der Zug auf die Sehnen und Bänder erhöht wird, die üblichen Läufer Wehwehchen wie Probleme mit der Achillessehne sind die Folge. Hier hilft das regelmässige Dehnen.


Statisches & Dynamisches Stretching
Man unterscheidet allgemein zwischen dynamischen und statischen Dehnen. 
Statisches Dehnen: Die Dehnposition wird über einen längeren Zeitraum gehalten.
Dynamisches Dehnen: Die Dehnposition wird nur kurz gehalten, dafür wird die Dehnposition wiederholt eingenommen. Normalerweise wird der Muskel bei dieser Variante auch nicht maximal gedehnt, so dass keine starken Dehnreize gesetzt werden.
 

Extrem dehnbar durch "gute" Gene!
Die Beweglichkeit unserer Muskulatur ist letztlich genetisch bedingt. Man unterscheidet zwischen normalbeweglichen Typen und sogenannten hypo,- bzw. hyperbeweglichen. Während manche Menschen extrem beweglich sind (hypermobile), kommen andere nicht mit den Fingerspitzen auf den Boden(hypomobile). Die Beweglichkeit der Muskulatur und der Bänder lässt sich jedoch durch Dehnübungen beeinflussen. Durch regelmäßiges Dehnen nach dem Laufen wird einer Verkürzung der Muskulatur vorgebeugt und die Verletzungsgefahr reduziert. Daher sollten besonders Läufer, die unter einer verkürzten Muskulatur leiden und nicht so gelenkig sind (hypomobile Typen), auf regelmäßiges und richtiges Dehnen achten. Im Gegensatz dazu sollten Läufer vom hypermobilen Typ sich mehr auf das Kraft,- und Koordinationstraining konzentrieren. Bei diesem Typ könnte sich durch intensives Stretching im schlimmsten Fall die Verletzungsanfälligkeit sogar erhöhen! Normalbewegliche Läufer können von einer Kombination aus Stretching, Kraft,- und Koordinationstraining  profitieren. Gesunde Läufer mit spezifischen Dysbalancen sollten das allgemeine Stretching mit speziellen Übungen für die verkürzte Muskelgruppe ergänzen.

Krankhafte Gelenkveränderungen oder Zivilisationskrankheit
Leistungsmindernde Verkürzungen entstehen zum Beispiel durch stundenlanges Sitzen am Schreibtisch oder dem Tragen von hohen Schuhabsätzen. Es gibt jedoch auch krankhafte Veränderungen des Skelettsystem, welche zu Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit führen können. Bei Menschen mit Wirbelgleiten sind z.b. die rückwärtigen Oberschenkelmuskeln isoliert verkürzt. Von daher ist es manchmal ratsam einen Facharzt zu konsultieren.



Vor oder nach dem Laufen dehnen – so machen Sie es richtig
Viele Läufer stellen sich die Frage, wann sie denn nun dehnen sollten, vor oder nach dem Laufen? 


  • Statisches Dehnen vor dem Lauf


Vor einem Lauf wird  statisches Dehnen nicht mehr empfohlen.
Ein Läufer der das Gefühl hat, durch Dehnen entspannter in den Lauf zu kommen, weil sich die Muskulatur lockerer anfühlt, darf natürlich seine gewohnten Dehnübungen (auch statische) durchführen – er muss es jedoch nicht! 
  • Dynamisches  Dehnen vor dem Lauf

Anders verhält es sich beim dynamischen Dehnen. Während das statische Dehnen die nachfolgenden Laufschritte eher hemmt, gilt dies für das dynamische Dehnen nicht! 
Beim dynamischen Dehnen werden die Muskeln, in einem kontrollierten sanften Bewegungsaublauf, stetig in die Länge gezogen und wieder gelockert. Das dynamische Dehnen  wirkt sich vielmehr, durch die Lockerung der Muskulatur, die Steigerung der Herzfrequenz und dem Blutfluss, possitiv auf das nachfolgende Laufen aus! Je sportartspezifischer die Übungen durchgeführt werden umso besser.
Beispiele: Ausfallschritt, Beinpendel, Anfersen,"Dreibeiniger Hund", "Hacky Sack", Stechschritte ;-)
Läufer finden finden diese Übungen mit Bildern & Beschreibung im Internet (runnersworld.de)

Statisches Dehnen nach der Belastung

  • Statisches Dehnen nach dem Lauf
Beim Dehnen nach dem Training wird die Muskulatur wieder in ihren Ausgangszustand zurückgebracht und somit einer Verkürzung  entgegengewirkt. Zudem lösen sich Verspannungen, die durch die muskuläre Beanspruchung entstehen können. 
Der richtige Zeitpunkt für ein Dehnprogramm ist der Moment indem die Muskulatur sich in einem nicht ermüdeten und erwärmten Zustand befindet  Vorsicht ist geboten, wenn man eine intensive Trainingseinheit oder einen Wettkampf beendet hat. Hier gehen die Empfehlungen mittlerweile dahin, dass vom Dehnen abgeraten wird! Man sollte beachtennie die kalte Muskulatur dehnen sollte! Ca. 10 min. warm zulaufen - Dehnübungen. Mit Dehnen vor dem Sport kann man zwei bis fünf Prozent der maximalen Leistung einbüssen. Dieser Leistungsbereich ist für Freizeitsportler irrelevant. Für Leistungssportler, die auf die Maximalkraft angewiesen sind, und für hypermobile Typen wird das Dehnen vor dem Sport als kritisch angesehen, denn hypermobile Sportler werden damit anfälliger für Verletzungen! 

 
Auf die Dauer (der Dehnübung) kommt es an!
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Dauer der Dehnübung. Aufgrund der physiologischen Vorraussetzungen unserer Muskelfasern sollten die Dehnungsübungen eine bestimmte Dehnungszeit nicht unterschreiten! Hintergrund ist der Aufbau unserer Muskeln. Um ihn vor Rissen und Überlastungen zu schützen ist der Muskel von Dehnungsfühlern durchsetzt. Diese sogenannten Muskelspindeln sorgen über Reflexe für Muskelspannung. Erst nach mehreren Sekunden hören die Muskelspindeln auf, den Muskel zum Anspannen zu aktivieren. Zu kurze (statische) Dehnungseinheiten sind also eher kontraproduktiv!



Dehnen gegen Krämpfe!?
Ob Dehnübungen bei Krämpfen hilfreich sind wird kontrovers sdiskutiert. Dehnen kann kurzfristig einen Krampf verhindern. Langfristig verbessert Dehnen vor allem die Beweglichkeit der Gelenke und ihrer umgebenden Strukturen. Es kann kurzfristig dazu beitragen, muskuläre Dysbalancen zu beheben, indem es verkürzte Muskeln in die Länge zieht und ihre Spannung reduziert. 

Stretching & Kraftübungen - das wirksame Gesamtkonzept
Dehnen bei Muskelverkürzungen wird von vielen Experten mittlerweile nicht mehr als isolierte Maßnahme empfohlen. Um einen ausgeglichen trainierten Bewegungsapparat zu erhalten wird das Krafttraining teilweise sogar als wichtiger angesehen. Rund um jedes Gelenk sorgen verschiedene Muskeln als Agonisten & Antagonisten für eine gute Balance. Man spricht in diesem Zusammenhang von muskulärer Balance. Ein Muskel (Agonist) kann sich selbstständig nicht länger machen, er kann nur länger gemacht werden - und zwar von einem anderen Muskel (Antagonisten) - seinem "Gegenspieler"! Aufgrund der Verkürzung eines Muskels kommt es zu Fehlhaltungen. Meist verkürzen sich Muskel deren "Gegenspieler" zu schwach sind. Nur die Kraft des Gegenspielers holt den Läufer aus dieser Fehlhaltung (muskuläre Dysbalance) heraus. Einfacher gesagt: Wenn der Agonist aufgrund eines vorwiegend sitzenden Lebensstils zu kurz ist, bringt es wenig, ihn auf die Länge des zu schwachen Antagonisten zu dehnen! Stattdessen sollte der Antagonist gekräftigt werden. In der Folge sollte der kräftige Antagonist den Agonien wieder in seine optimale Länge zu ziehen!

Beispiel: Eine typische Dysbalance, die auf unseren zivilisatorischen Lebensstil zurückzuführen ist, betrifft den Hüftbeuger (M. iliopsoas) Dieser ist wichtig für einen weiten Schritt hinter dem Körper. Der Gefäßmuskel (M. gluteus maximus - Antagonist) ist häufig durch vorwiegend sitzende Tätigkeit geschwächt. Wenn der Hüftbeugen (Agonist) verkürzt ist und der Gesäßmuskel  nicht gut trainiert ist - also nicht genügend Kraft aufweist, kann die Hüfte nicht mehr optimal gestreckt werden und es kommt zu einem "sitzenden Laufstil"!

FAZIT


  • Dehnen allein verhindert Verletzungen nicht und wirkt auch nicht gegen Muskelkater
  • Die Balance der Muskelspannung erhält man am besten mit einer Kombination aus Dehnungs,- und Kräftigungsübungen.
  • Immer auch den Gegenspieler des jeweiligen Muskels kräftigen.
  • Mit Dehnungsübungen kann die Beweglichkeit der Muskeln erhöht werden
  • Vor dem Lauftraining sollte man eher nicht statisch dehnen, da die Leistungsfähigkeit vermindert wird!
  • Es ist besser, nach dem Sport oder während einer speziellen Dehnungseinheit zu dehnen
  • Vor dem Dehnen sportspezifisch locker aufwärmen bzw. dynamisch dehnen (siehe oben - Link).
  • Bei Muskelkater besser nicht dehnen.


Bis bald

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