15.03.24

Generationsübergreifende Laufleidenschaft | Ein Leben im Laufschritt!

Zwei, die sich gut verstehen: Rudi Stommel, Läufer seit vielen Jahrzehnten, und Jörg Löhr, Marathonläufer seit 25 Jahren. Die Strecke entlang des Siegufers in Eitorf hat sie nach vielen Jahren zusammengeführt! Stommel nutzt den asphaltierten Weg entlang des Siegufers regelmäßig für ausgedehnte Spaziergänge mit seiner Frau Inge. Für den passionierten Langstreckenläufer Löhr ist es die wichtigste Trainingsstrecke, auf welcher er im Rahmen der jährlichen Marathonvorbereitung bereits tausende Kilometer gelaufen ist. Regelmäßig begegneten sie sich und nach einem freundlichen Gruß ging’s im Laufschritt weiter. Im Spätsommer kam es jedoch erstmals zu einer Begegnung mit ausgedehntem Stopp und einer längeren Unterhaltung! So standen die Beiden am Siegufer und plauderten enthusiastisch über alles mögliche, was das Laufen so ausmacht.

 


Sie merkten sofort, dass viele Themen rund um das Laufen und Eitorf sie miteinander verbinden. Am Ende dieser Begegnung trennten die Zwei sich voneinander mit dem Gefühl, dass das Laufen eine generationsübergreifende Begeisterung erzeugt, die  einen nie mehr verlässt. Eine Begeisterung, die bis ins hohe Alter anhält und jung und alt zusammenführen kann! Deshalb ging Löhr dieses Gespräch nicht mehr aus dem Kopf! Er kennt Herrn Stommel seit seiner Kindheit, denn in dessen Sport- und Lederwarengeschäft gab es jedes Jahr ein Paar neue Fußballschuhe. 1978 stand in Löhrs Sportunterricht Waldlauf - heute nennt man es Trailrunning ;-) - auf dem Programm und er merkte sofort, dass ihm das Laufen im Blut lag. 

Dass Stommel da bereits selbst auf der Langlaufstrecke aktiv war, ist ihm auch nicht verborgen geblieben, denn dieser trainierte seit Mitte der 70er Jahre gemeinsam mit seinem Sohn im Waldgebiet Hoher Schaden Eitorf. Wenn man unter örtlichen LäuferInnen von der großen Runde am Hohen Schaden spricht, wissen alle bis in die heutige Zeit ganz genau, was gemeint ist! Hier lag das Laufrevier der beiden Stommels: 12,5 Kilometer vom Waldparkplatz über den Melchiorweg bis zur Kalka-Hütte; nach kurzer Steigung über den oberen Weg zurück bis zur Mooshütte und dann zum Startpunkt der Strecke.  Als Mitte der 70er Jahre der TV Eitorf einen regelmäßigen Lauftreff am Hohen Schaden etablierte, waren die Stommels selbstverständlich mit von der Partie. Andreas Stommel mag mit 6 Jahren wahrscheinlich der jüngste Läufer gewesen sein, aber gewiss nicht der Langsamste. Stommel trainierte seinen Sohn anfänglich persönlich und kümmerte sich später um eine professionelle Trainingsunterstützung bei der TLG Troisdorf. Voller Stolz erzählte er von den vielen gewonnenen Wettkämpfen mit sehr guten Zeiten. Selbst im Familienurlaub auf Wangerooge gewann sein Sohn regelmäßig den örtlichen Volkslauf in überragender Zeit.  

 


Nürburgring-Lauf: Andreas Stommel (r.) Rudi Stommel (m.)

 

Für ihren ersten Marathon reisten die Stommels 1988 nach Bremen. Geplant war, dass Andreas, welcher sich in der Ausbildung zum Physiotherapeuten befand, ihn auf dem Fahrrad begleiten sollte, was aber aufgrund der Streckenführung leider nicht möglich war. Erschwerend kam hinzu, dass sich Stommel Senior einige Wochen zuvor einen Muskelfaserriss zugezogen hatte. Spontan entschied sein Sohn, dass er seinen Vater nicht allein auf die 42,195 km lassen wollte und lief ohne gezielte Vorbereitung ebenfalls auf der Marathondistanz. Stommel erinnert sich noch sehr gut an die schlechte Ausgangssituation, aber sein Credo lautete damals wie heute: „Laufen bedeutet sich selbst zu besiegen!“ Die Unterstützung seines Sohnes half ihm. Trotz Handicap erreichten sie bei ihrem ersten Marathon das Ziel in einer Zeit unter 4 Stunden.  

Ziemlich genau zehn Jahre später feierte Löhr seine Premiere auf der Marathondistanz. In Köln fand der Köln-Marathon bereits zum zweiten Mal statt und somit hieß es für Löhr „Der Dom ist das Ziel!“ Ursprünglich sollte der Start bei einem Marathon ein einmaliges Ereignis bleiben.

 

1998 - Marathonpremiere Jörg Löhr in Köln 

Er erinnert sich jedoch genau, dass er nach ein paar Tagen Erholung bereits über die nächsten Ziele nachdachte. Er selbst hätte jedoch nie für möglich gehalten, dass er 25 Jahre später immer noch Marathon und gerne noch längere Strecken weltweit laufen würde! Im Laufe der Zeit gab es die ersten Laufbücher mit Hintergrundwissen sowie Trainingsplänen.   

Einen Marathon im Gebirge oder einen Ultramarathon (>42,195km) zu laufen wäre Stommel bis heute nicht in den Sinn gekommen. Umso interessierter verfolgte er die Berichte der diversen Laufabenteuer Löhrs: Zum Fuße der Eigernordwand beim Jungfrau-Marathon oder über 100km durch die Nacht in Biel (Schweiz) zu laufen sind für Stommel bewundernswerte Leistungen! Er führt aus, dass sich sein Interesse am Laufen auch durch sein Sportgeschäft entwickelt hat. Zu einem der großen deutschen Hersteller von Sportschuhen hatte er damals sehr gute Kontakte und als dieses Unternehmen im Laufschuhbereich aktiv wurde, kümmerte er sich zügig darum, dass er diese in sein Sortiment bekam. Nicht ohne Stolz berichtet er, dass diese speziellen Schuhe schwer erhältlich, in Eitorf aber so gut wie immer vorrätig waren! Damals kamen auch aus dem Bergischen Land und dem Westerwald LäuferInnen nach Eitorf, um diesen beliebten Laufschuh zu ergattern nebst exzellenter Fachberatung! 


Rudi Stommel (Nr.65 - 2ter v. r.) Nürburgring-Lauf

 

 

Genauer betrachtet gibt es einige Ereignisse und Abläufe im Leben, die bei Stommel und Löhr sehr ähnlich verliefen. Laufen begleitet die beiden seit vielen Jahren bis heute und gemeinsam haben die Beiden, wenn man ihre Jahreskilometer addiert, die Erde mehr als acht Mal umrundet! Die Freude am Laufen ist dabei nie kleiner geworden! Es ist wie eine Sucht im positiven Sinn. Laufen verschafft ihnen in stressigen Zeiten den perfekten Ausgleich! Beide genießen die „Einsamkeit des Langstreckenläufers“ und die wunderschöne Landschaft ihrer Heimat. Erschöpft nach Hause zu kommen und nach der Dusche auf dem Sofa liegend zu entspannen hat etwas Zufriedenstellendes!

Beide kennen aber auch die Erfahrung, dass man während eines langen langsamen Laufes Ideen entwickelt und plant, strategisch und kreativ sein kann!

Beide entwickelten früh den Ehrgeiz lange Distanzen zu laufen und dafür regelmäßig in Wald und Flur der Heimatgemeinde unterwegs zu sein. 

Stommel erinnert sich, wie er damals mühselig die Strecken rund um den „Hohen Schaden“ gemeinsam mit seinem Sohn ausgemessen hatte. Dafür hatten sich die beiden ein geeichtes Entfernung-Strecken-Messrad bei einem örtlichen Bauunternehmer ausgeliehen! Er erinnert sich auch an viele ungewollte Verlängerungen der Trainingsstrecken, da die Beschilderung schlecht und das eigene Orientierungsvermögen im Waldgebiet noch nicht so ausgeprägt war. Diese Erfahrungen musste Löhr zu Beginn seiner Laufleidenschaft ebenfalls machen. Als er vor mehr als 40 Jahren den Waldlauf für sich entdeckte, gab es noch keine modernen GPS-Uhren, die heutzutage selbst in unbekannten Gegenden sicher navigieren. Für Stommels Gattin war es eine aufregende Zeit, denn damals gab es keine Mobil-Telefone und wenn der Ehemann nach Einbruch der Dunkelheit immer noch nicht zu Hause war, waren die Sorgen groß. 

Eine weitere Gemeinsamkeit verbindet Stommel und Löhr: Beide übertrugen die Begeisterung für das Laufen auf die nächste Generation. Besonders Stommels Sohn war hier sehr erfolgreich. Wenn Stommel davon erzählt, ist seine Begeisterung deutlich spürbar. Für Löhr sind es die gemeinsamen Runden bei Trainingsläufen, die Vater und Tochter genießen und bei zwei ganz besonderen Wettbewerben sind sie auch gemeinsam gestartet. Genau das ist es auch, was Stommel neben den Erfolgen im Wettbewerb sehr schätzt. Durch die gemeinsame Zeit auf der Laufstrecke hat sich ein tolles Vater-Sohn-Verhältnis entwickelt.

 

Stommel schwelgt von Herzen gerne in Erinnerungen und ist trotz seines Alters sehr EDV-affin.  Sein ganzes Leben hat er in diversen Dateien in seinem Handy abgespeichert. Sein Sohn lebt seit seinem 19. Lebensjahr nicht mehr in Eitorf, fühlt sich im Herzen jedoch immer noch als Eitorfer. Das Laufen hat ihn und sein Leben bis zum heutigen Tage maßgeblich geprägt, auch wenn er selber seit vier Jahren aufgrund gesundheitlicher Gründe nicht mehr laufen kann.


 

Die Frage nach den Lieblingsstrecken der beiden ist nicht so einfach zu beantworten. Beide sehen es ähnlich - über die Jahre ändert sich so etwas schon mal! Dem Alter gezollt werden die Strecken mit der Zeit etwas kürzer ergänzt Stommel. 

 

Für Löhr hat es auch damit zu tun, auf welchen Lauf er sich vorbereiten möchte. Geht es auf einen Traillauf, bevorzugt er die Strecken in den Wäldern rund um Eitorf. Auf bereits bestehenden Wegen hatte er 2020 eine Marathonstrecke entlang der Gemeindegrenze Eitorfs entwickelt. Hier findet er immer neue Varianten für seine Trainingseinheiten im Gelände. Seine Vorbereitung für einen Marathon oder einen Ultramarathon führt er jedoch größtenteils auf dem Siegradweg zwischen Siegburg und Rosbach durch. 

 

Stommel läuft seit 55 Jahren und ist bis heute seinen Strecken treu geblieben! Am liebsten startet er von zu Hause in Eitorf-Halft aus, läuft ein Stück entlang der Sieg und nutzt die langgezogene Steigung am Alzenbacher Friedhof in Richtung Paulinenhof. Je nach körperlicher Verfassung führt die Strecke auf einer kürzeren oder längeren Schleife zurück ins Tal! Die Strecken sind über die Jahre kürzer geworden, doch auch mit  83 Jahren scheut er keine Steigung. Seiner Erfahrung nach ist es jedoch immer wichtig in sich hineinzuhorchen, zu prüfen, was aktuell körperlich möglich ist. Dann hält einen die regelmäßige Bewegung bis ins hohe Alter fit! 

 

„Das Tempo interessiert mich gar nicht mehr. Wenn ich laufe, denke ich oft, wie schön es ist, dass ich das alles noch kann! Und dann erkenne ich das Beste am langsamen Lauf. Ich bin länger unterwegs und kann dieses wunderbare Erlebnis entsprechend länger genießen!“

 

Das wünscht sich Löhr auch mit 83 Jahren noch so erleben. Trotz der intensiven jahrelangen Belastungen durch 60 Marathon- und Ultramarathonläufe und unzähligen Trainingseinheiten hatte er glücklicherweise noch nie orthopädische Probleme. Die Kniegelenke und der Knorpel haben bisher allen Strapazen getrotzt. Vielleicht auch gerade wegen der regelmäßigen Bewegung.

 

Stommels Haltung ist eindeutig: „Klar muss man im Alter etwas kürzertreten, aber das Laufen hat mir immer so viel Kraft gegeben, dass ich heute noch sage: ‚Ich brauche das einfach - es tut mir gut.‘“

 

 Generationsübergreifende Laufleidenschaft - Jörg Löhr & Rudi Stommel

  

Beide definieren sich als Sportler, welche  Barrieren brechen, keine Rekorde. Egal welche Entfernung, egal welche Höhe. Sie teilen viel mehr als nur ihre Schritte. Das bedeutet für die beiden Läufer zu sein!


Ein Leben im Laufschritt!

 

Hintergrundwissen: Es braucht nicht viel Laufen, um länger zu leben!

Forscher machen sich zunehmend Sorgen über die negativen gesundheitlichen Auswirkungen einer sitzenden Lebensweise – „Sitzen ist das neue Rauchen“. Weniger als 30 Minuten Laufen pro Tag reichen möglicherweise nicht aus, um sich für den Boston-Marathon zu qualifizieren, aber das bedeutet sicherlich nicht, dass es Ihrer Gesundheit nicht zuträglich ist. 

 

Es gibt keinen Mangel an wissenschaftlichen Untersuchungen, die belegen, dass ein sitzender Lebensstil – der wenig bis gar keine körperliche Aktivität mit sich bringt – schädlich für alles ist, von unserem geistigen Wohlbefinden bis zur körperlichen Gesundheit. Sitzendes Verhalten und körperliche Inaktivität gehören weltweit zu den Hauptfaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gesamtmortalität.

 

 

Die Gefahren des langen Sitzens

Viele von uns verbringen einen großen Teil unseres Tages im Sitzen, sei es vor dem Computer, bei der Arbeit, beim Autofahren oder beim Entspannen auf der Couch am Ende des Tages. Es besteht kein Zweifel, dass wir als Gesellschaft im Laufe der Zeit viel inaktiver geworden sind und dieser Lebensstil erhebliche Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat. Laut der im British Journal of Sports Medicine veröffentlichten Studie kann das Sitzen von mehr als 12 Stunden am Tag das Risiko eines frühen Todes bei Menschen ab 50 Jahren um 38 Prozent erhöhen. Es überrascht nicht, dass eine Verringerung der Anzahl der Sitzstunden die Gesundheit verbessert und das Sterberisiko senkt, aber für Personen, die zu ihrem Schreibtischjob pendeln, ist ein gewisses Maß an Sitzen unvermeidbar.

 

Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass bereits 22 Minuten moderater bis intensiver körperlicher Aktivität (z. B. leichtes Laufen) dazu beitragen können, die negativen Auswirkungen einer sitzenden Lebensweise auszugleichen. Frühere Untersuchungen haben ergeben, dass man mehr als 60 Minuten körperliche Aktivität benötiget, um langem Sitzen entgegenzuwirken. 

Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass selbst 22-minütige Aktivitäten/Läufe helfen können, länger zu leben. Die Studie untersuchte 12.000 Teilnehmer und ergab, dass diejenigen, die 12 oder mehr Stunden am Tag sitzend verbrachten, ein um 38% erhöhtes Sterberisiko hatten. Allerdings reichten 22 Minuten moderates bis intensives Training aus, um dieses Risiko umzukehren. Aktiv zu bleiben, trägt auch dazu bei, die negativen Auswirkungen der saisonalen Depression auszugleichen, unter der so viele von uns in den Wintermonaten leiden. 

Eine weitere Studie ergab, dass 35 Minuten Sport das richtige Gegenmittel sind. Es ist erwähnenswert, dass die Aktivitäten nicht alle auf einmal ausgeführt werden müssen. Einige Büroangestellte haben mit Gehpausen Erfolg gehabt.

 

 

Was bedeutet das für Läufer?

Läufer sind an den meisten Tagen wahrscheinlich mehr als 22 Minuten körperlich aktiv, aber diese Studie macht dennoch einen wichtigen Punkt besonders deutlich: Selbst ein kurzer Lauf hat gesundheitliche Vorteile. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Läufer ihren Lauf ganz auslassen, wenn sie ihren „vollen Lauf“ nicht schaffen, aber nur weil man keine Zeit für einen einstündigen Lauf hat, heißt das nicht, dass ein kürzerer Spaziergang um den Block nicht sinnvoll sei.

 

Wenn es darum geht, den Auswirkungen einer sitzenden Lebensweise entgegenzuwirken, zählt jede noch so kleine Aktivität, selbst wenn es nur ein kurzer Lauf in der Mittagspause ist. Es wird nicht helfen, eine neue Marathon-Bestzeit zu erreichen, aber es könnte durchaus helfen, länger und gesünder zu leben.


Quellen: 

SIX MINUTE MILE [Running and Fitness-News]

RUNNING MAGAZIN.CA

British Journal of Sports Medicine


 

Bis bald



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