Die Einnahme von Schmerzmitteln ist bei Langstreckenläufen laut diverser Studien sehr viel weiter verbreitet als man es sich vorstellt. Bei Schmerzen oder als Profylaxe nehmen viele Ausdauersportler Schmerzmedikamente und riskieren damit ihre Gesundheit. Bei einer Befragung der Teilnehmer beim Bonn-Marathon 2009 zeigte sich, daß bereits 60% der Läufer vor dem Rennen Schmerzmittel eingenommen hatten! Selbst das in zu hoher Dosierung lebertoxische Paracetamol wurde eingesetzt!
Die Studie beim Bonn-Marathon wurde von wissenschaftlichen Arbeitsgruppen aus Bonn & Erlangen konzipiert und bietet eine gute Analyse des Einsatzes von Schmerzmittel im Bereich des Amateursports.
11% starteten trotz Schmerzen / 60 % liefen mit Schmerzmittel
Im Rahmen dieser Studie wurden mithilfe eines strukturierten Fragebogens insgesamt 1024 Freizeitsportler unter den Teilnehmern des Bonn-Marathons (2009) befragt!
Ziel der Studie war:
- den Schmerzmittelkonsum vor dem Start qualitativ und quantitativ zu erfassen.
- den Wissensstand über die Verwendung dieser Medikamente (einschließlich unerwünschter Wirkungen) zu eruieren.
- die Sinnhaftigkeit der Medikation zu hinterfragen.
Schädigung von Magen, Darm und Niere
Durch die extreme Belastung im Rahmen eines Marathon kommt es zu starken Belastungen der Muskulatur. Aufgrund des hohen Sauerstoffbedarfs der Muskulatur werden der Magen-Darm-Trakt (erheblich) und die Niere geringer durchblutet! Nicht selten gelangen Muskelproteine ins Blut und werden in die Niere transportiert. Der Körper reagiert darauf und erhöht normalerweise die Durchblutung in der Niere um diese Schadstoffe effektiv zu eliminieren. Diese Regulation erfolgt durch Prostaglandine, hormonähnliche Botenstoffe unseres Körpers! Genau diese Stoffe sind jedoch auch "Botenstoffe" des Schmerzsignals und werden von Schmerzmedikamenten, wie z.B Aspirin gehemmt. Bei gleichzeitiger Einnahme dieser Schmerzmittel kann die Durchblutung der Niere nicht mehr adäquat erhöht werden.
Schmerzmittel wie Aspirin (Acetylsalicylsäure), Diclofenac und Iboprufen betreffen auch den Magen-Darm-Trakt und können dessen Schleimhaut negativ beeinflussen. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Blutungen oder Krämpfe können die Folgen sein.
Stöße bzw. Erschütterungen beim Langstreckenlauf können die Barrierefunktion der Darmwand stören. Diese "physiologischen Belastungen" könnte der Körper jedoch noch kompensieren. Bei gleichzeitiger Einnahme von bestimmten Schmerzmedikamenten (Cyclooxygenasehemmern s.u.) wird die Durchlässigkeit des Magen-Darm-Traktes aber zusätzlich erhöht und Bakterien oder Bakterientoxine könnten leichter ins Blut gelangen.
Im Darm kann es zu Darmblutungen, oder Nekrosen kommen. Es gibt Untersuchungen die über eine so genannte Sportleranämie berichten, die bei Ausdauersportlern beobachtet wurde und die inneren Organe beeinträchtigen kann!
aus Brune K. et al. I Schmerzmittel - fataler Einsatz im Breitensport I Deutsche Apotheker Zeitung I 149. Jahrgang I 43 I 2009 |
Zusammenhänge mit Herz-Kreislauf-Störungen?
Die Autoren vermuteten weiterhin, dass der Effekt der verwendeten Analgetika nicht nur Blutungen und ein partielles Organversagen (Niere, Darm) auslösen können, sondern über die Beeinflussung des Elektrolythaushalts auch das Auftreten von Herz-Kreislauf-Störungen begünstigt.
Komplexe Zusammenhänge erhöhen das Gesundheitsrisiko
Der Körper ist bei einem Marathonlauf nicht nur auf eine adäquate Wasserzufuhr, sondern auch auf eine ausreichende Substitution von Salzen angewiesen. "Vieltrinkern", besonders diejenigen, welche nicht (NaCl-) supplementiertes Wasser tranken, waren häufiger von Herzkreislaufstörungen aufgrund einer Hyponatriämie gefährdet. Link: http://der-laufgedanke.blogspot.de/2015/02/wieviel-wasser-braucht-der-mensch.html Auch in diesem Punkt führte die parallele Einnahme von Cyclooxygenasehemmern zu einer Erhöhung des Risikos!
Trotzdem scheint der Einsatz von Schmerzmitteln erschreckend verbreitet zu sein:
- Beim Jungfrau Marathon 1998 ergab die Analyse von Urinproben der Teilnehmer, dass ca. 1/3 der Teilnehmer vor dem Start Schmerzmittel eingenommen hatten!
- Beim Boston-Marathon 2002 gaben 50% der Männer und 60% der Frauen an, dass sie Schmerzmittel vor dem Start eingenommen hatten!
Männer statistisch liegen "in Führung"!
- Mehr Männer als Frauen (14 vs. 3%) klagten schon beim Training über Schmerzen.
- Nach dem Training leideten mehr Männer (33%) als Frauen (10%) unter Schmerzen.
- Männer griffen wesentlich häufiger zu Schmerzmitteln als Frauen.
Quelle: Analgetikamissbrauch bei Marathonläufern MMW-Fortschr. Med. Nr. 40 / 2009 (151. Jg.) |
Sorglosigkeit und wenig Informiert!
Aus den Ergebnissen der Fragebögen ging eine beunruhigende Sorglosigkeit im Umgang mit Schmerzmedikamenten hervor:
- Die Hälfte der Anwender von Ibuprofen oder Diclofenac nahmen zu hohe Dosen ein!.
- Nur 11% hatten ihre Organfunktionen vor dem Lauf vom Arzt überprüfen lassen!
- Nur 5% waren durch Arzt und/oder Apotheker auf die Risiken der Einnahme von Schmerzmitteln vor und während eines Langstreckenlaufs hingewiesen worden
aus Brune K. et al. I Schmerzmittel - fataler Einsatz im Breitensport I Deutsche Apotheker Zeitung I 149. Jahrgang I 43 I 2009 |
"Die Annahme von Langstreckenläufern, während des Wettkampfs auftretende
Schmerzen durch vorab eingenommene Schmerzmittel instantan antagonisieren
zu können, ist falsch. So zeigte eine gründliche Analyse von 54 Läufern, die an einem 160-km-Lauf teilnahmen (die eine Hälfte erhielt Placebo, die andere Hälfte nahm vor Laufbeginn 600 mg und während des Laufs alle vier Stunden 200 mg Ibuprofen ein), weder eine bessere Laufleistung der medikamentierten Gruppe noch eine geringere Schmerzintensität an den auf den Lauf folgenden Tagen"
Quelle: Analgetikamissbrauch bei Marathonläufern MMW-Fortschr. Med. Nr. 40 / 2009 (151. Jg.) |
Die Gefahr, welche durch die (teils überdosierte) Einnahme von Schmerzmitteln entsteht, ist also vom Zeitpunkt der Einnahme abhängig! Untersuchungen zeigen, dass Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen nach der Laufbelastung, zu einer deutlichen Reduzierung der Muskel,- und Gelenkbeschwerden führt. Zu diesem Zeitpunkt sind die diskutieren Risiken der Schmerzmitteleinnahme auch deutlich reduziert!
Schmerzentstehung und Schmerzmittelwirkung
Schmerz entsteht, wenn Nervenendigungen einen Reiz erkennen und diesen über die Nervenbahn ins Rückenmark weiterleiten. Bei einer Verletzung werden an der betroffenen Stelle bestimmte Botenstoffe freigesetzt, welche im weiteren Verlauf, bestimmte Rezeptoren an den Nervenendigungen (Nozirezeptoren) reizen! Eine Gruppe dieser Botenstoffe, sind die Prostaglandine. Ihre Aufgabe besteht darin, die Nozirezeptoren empfindlicher für die Nachricht der so genannten Schmerzmediatoren (Histamin, Serotonin) zu machen.
Einige Schmerzmittel (Cyclooxygenasehemmer) aus der Klasse der Nicht-Opiate (Acetylsalicylsäure, Ibuprofen & Paracetamol) greifen bereits bei den Botenstoffen der Schmerznachricht ein. Durch die Verminderung der Prostaglandin-Synthese kann die Empfindlichkeit der Nozirezeptoren für das Schmerzsignal nicht mehr erhöht werden. Dies geschieht durch eine Hemmung von zwei Enzymen (Cyclooxygenasen COX-1 & COX-2), welche für die Prostaglandin-Synthese notwendig sind.
Unglücklicherweise hat eines der beiden Enzymme, das COX-1 neben seiner Bedeutung bei der Schmerzentstehung, weitere wichtige Funktionen (Blutgerinnung, Durchblutung der Niere s.o., im Magen). Dies ist der Grund für die unerwünschten Nebenwirkungen, die man im Beipackzettel der Medikamente nachlesen kann!
Eingriffe in der Schaltzentrale
Wie wirken Schmerzmittel - Kölner Stadt-Anzeiger Magazin - Nr. 292 |
Die Endorphine binden dafür an den Bindungsstellen, an welchen bestimmte Medikamente binden. Diese Opioide wirken direkt am zentralen Nervensystem, wo sie gezielt die Schmerzweiterleitung blockieren.
Quellen:
(1) Brune K. et al. I Schmerzmittel - fataler Einsatz im Breitensport I Deutsche Apotheker Zeitung I 149. Jahrgang I 43 I 2009
(2) Brune K. et al. I Sport und Schmerzmittel: Unheilige Allianz zum Schaden der Niere I Dt. Ärzteblatt 2008 I 105 (37): A1894-1900
(3) Brune K. et al. I Analgetikamissbrauch bei Marathonläufern I MMW-Fortschr. Med. Nr. 40 / 2009 (151. Jg.)
(4) Almond CS. et al. I Hyponatremia among runners in the Boston Marathon I N. Engl. J. Med. 2005 I April14;352(15):1550-6
(5) Wie wirken Schmerzmittel - Kölner-Stadt-Anzeiger - 2015 Magazin Nr. 292
Bis bald
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen