Ludger & Wiebke: Jörg setzte uns den Floh ins Ohr, über den Marathon in New York einen Blogbeitrag zu schreiben. Wo fängt man da an? Am besten bei der Abholung der Startunterlagen…
Startunterlagen am Convention Center
Morgens nach der Ankunft ging es zum Convention Center, wo es die Startunterlagen für die ca. 50.000 Läuferinnen und Läufer gab. Mit dieser Teilnehmerzahl ist der New York Marathon der größte der Welt. Ein Marathon der Superlative! Wenn 50.000 Menschen sich Unterlagen abholen müssen, dann bedeutet das Warteschlangen. Und es ging schon gut los: Wir standen vor dem Gebäude und nichts bewegte sich…
Pünktlich um 10 Uhr tat sich dann doch was: Einlass in die Halle! Dann ging es sehr schnell: Es gab viele Volunteers die einem bei der Orientierung halfen. Und sehr schnell gaben mir die freundlichen Damen meine Unterlagen.
Foto: Ludger Schneider-Störmann |
„Can I take a picture?” “As long as I don’t see myself as ‘wanted’ in a postal office, sure”
Die Ladies hatten Humor!
Dannach
wurde es etwas unübersichtlicher. Um an die Shirts zu kommen, musste man an
eine andere Stelle. Man konnte sogar vorher die Größe prüfen, welche besser
passt. Anders als bei anderen Marathon-Wettbewerben legt man sich zwar
auch vorher fest, kann sich aber nochmal umentscheiden. Nur solange Vorrat
reicht, versteht sich;-)
Wir
bekamen dort auch die Shirts für den Vorlauf „5k dash to the finish line.“
Dieser findet am Tag vorher statt und ist ein bunter Lauf mit vielen
kostümierten Läuferinnen und Läufern aus aller Welt.
Dann kam man in den Messebereich. Hier hieß es: Kreditkarte anschnallen, Ohren verschließen und Scheuklappen auf – oder man gab sich dem Spektakel hin und ließ sich „ausrauben“. Die Preise waren gepfeffert aber viele sagten sich sicherlich: „Once in a lifetime“. Massen an Shirts, Jacken, Schuhen mit TSC NYC Marathon Beschriftung und viele nützliche und unnütze Dinge waren in der Halle zu kaufen. Der Stand des Hauptsponsors wurde zeitgemäß von einem DJ beschallt und das in einer unzeitgemäßen Lautstärke. Tausende von Kunden bewegten sich auf die Kassen hin, was erstaunlich schnell ging: „Time is money“
Der Kassenbereich (Fotos: Ludger Schneider-Störmann) |
Nach wenigen Minuten waren wir dran, nach wenigen Sekunden die Kreditkarte belastet.
Als
wir am Abend des gleichen Tages wieder dort waren, um eine Freundin zu
begleiten, war es im Vergleich zum Morgen entspannter und leerer. Wer also Zeit
hat, sollte abends die Unterlagen abholen. Das ist einfach noch schneller.
5k Dash to the Finish Line
Morgens
ging es zum Startpunkt, der nicht im Central Park ist, sondern an prominenter
Stelle, dem "Haus der Vereinten Nationen". Wir standen dort zwischen dem
eindrucksvollen Gebäude, vor dem die Flaggen aller Nationen im Wind wehten.
Besonders pikant fanden viele, dass im Rücken der Trump Tower stand – wie wir
heute wissen, des nächsten Präsidenten Bürogebäude. Viele die um uns standen
waren da noch der Auffassung, dass es eine Präsidentin wird.
Es
ist ziemlich einfach, sich mit anderen Reisenden aus aller Welt zu unterhalten.
Wir klönen mit einem Australier, der sich mit Trumps Tower im Rücken vor dem
eventuellen Wahlausgang (der ja auch so kam), gruselte. Ansonsten tauschen wir
uns über die schönsten Läufe aus, die wir gemacht haben, nichtsahnend, dass
schon morgen ein weiterer folgen wird.
Die
Strecke führte von dort 5 km durch die City bis zum Central Park, direkt ans
Ziel. Eine schöne Strecke, die von einigen Zuschauern gesäumt wurde. Der Lauf war
schnell vorbei, leider, denn das Wetter spielte hervorragend mit.
Wer schon mal spüren will, wie der Zieleinlauf sein wird, sollte dort unbedingt
mitlaufen. Die letzten Meter geht es nämlich nochmal nach oben, ein Anstieg,
der nach 26 Meilen schmerzen wird…
Der große Tag
Schon viel wurde über den NYC Marathon berichtet. Aber ihn selber zu erleben ist was ganz Großes.
Der große Tag
Schon viel wurde über den NYC Marathon berichtet. Aber ihn selber zu erleben ist was ganz Großes.
Bildquelle: Travelhouse.com.cy
Die Vorbereitung Über Tage hinweg beobachteten wir das Wetter. Es sah für New York ungewöhnlich gut aus: Sonne und 10°C – 15°C. Dennoch: Alte Wintersachen anzuziehen war nötig. Denn es ging „vor dem Aufstehen“ los: Die Achilles-Läufer und Guides (Behinderte mit Begleitung) starteten um 04:30 Uhr per Bus von Manhattan nach Long Island, wir um 05:50 Uhr. Also hieß es früh den Wecker stellen. Dabei war eines zu beachten: Die Sommerzeit endete im Bundesstaat New York am 6.11.16 um 2 Uhr morgens (2 am). Dann wurden die Uhren auch dort um eine Stunde zurückgestellt. Aber: würde das unser Smartphone-Wecker alleine machen? Springt die Uhr im Hotelzimmer automatisch um? Oder etwa der telefonische Weckroboter? Nun, nachdem ich zweimal um 1:30 Uhr morgens wach wurde wusste ich, dass es mein Smartphone geschafft hatte:-)
Das
frühe Aufstehen ging gut, weil wir erst kurz vor dem Lauftag in NY aus
Deutschland angekommen waren: Da hilft dann mal der Jetlag;-)
Der
Transfer und das lange Warten auf den Start
Der
Bus füllte sich mit Läuferinnen und Läufern, einige verschlafen, andere
aufgeregt und wach. Wir fuhren ca. 1 h über Brooklyn und die Verranzano Narrows
Bridge nach Staten Island, wo am Fuße der Brücke das Camp für Läufer war. Es
dämmert zweimal: zum einen der Tag, denn die Sonne ging auf, zum andern uns,
denn wir würden in 4-5 Stunden wieder über diese Brücke nach Brooklyn kommen.
Nur dieses Mal laufend. Und die Brücke hatte es in sich: 65 Höhenmeter, direkt ein
knallharter „Kaltstart“.
Im
Startbereich war alles weitläufig. Es gab alles, was das Herz begehrt: Wasser,
Kaffee, Tee, Protein-Riegel, Bagel, Donuts und eine wirklich ausreichende Zahl
an WCs. Die heißen nicht „Dixi“ sondern „Royal Flush“. Das macht das Bedürfnis aber
auch nicht zum Erlebnis. Ein Kringelbäcker gab Fleece-Mützen aus gegen die
Kälte. Wir hatten eine ganz lange Liste an Dingen selber mitgebracht: Am
nötigsten waren Decken, kleine Isomatte, Wasser, WC-Papier. Unser
Reiseveranstalter (Danke Interair !) hatte im Vorfeld eine sehr umfassende und aus unserer Sicht
vollständige Liste zukommen lassen. Das hilft!
Wir
hatten Glück: Das Wetter passte, die Sonne stieg und es ging ein frischer Wind.
Schon eine Stunde vor unserer Startwelle – hier gab es vier davon – gingen wir
in unseren sogenannten „Corral“, dem Starblock. Durch das Wetter und die vielen
netten Gespräche war es kurzweiliger als befürchtet.
Der Start oder: Wie bekommt man 50.000 geordnet auf die Straße?
Es gab 3 „Farben“ (grün, orange und blau), nach denen die Marathonis sich einordneten. In jedem dieser Blöcke gab es 4 Startwellen. Jede Welle und jede Farbe hatte wiederum 6 Startblöcke A bis F. Die Läufer wurden also in kleinen Paketen mit knapp 700 Personen auf die Strecke geschickt. Geschickt! Denn so kam es zu keinem Gedränge.
Der Start oder: Wie bekommt man 50.000 geordnet auf die Straße?
Es gab 3 „Farben“ (grün, orange und blau), nach denen die Marathonis sich einordneten. In jedem dieser Blöcke gab es 4 Startwellen. Jede Welle und jede Farbe hatte wiederum 6 Startblöcke A bis F. Die Läufer wurden also in kleinen Paketen mit knapp 700 Personen auf die Strecke geschickt. Geschickt! Denn so kam es zu keinem Gedränge.
Auch
in den Corrals war die Organisation perfekt: Auch hier konnte man seine wärmende
Kleidung abgeben und spenden, auch hier waren WCs. Und die ganz verfrorenen
warfen die Kleidung erst 10 Meter vor dem Start in die Behälter.
„I
want to be a part of it, New York“ erklang es (für jede Welle), dann folgte ein
Kanonenschuss. Was für eine Stimmung. Gänsehaut pur. Es ging los!
Grand Veranzano Narrow Bridge I NYCM2010 |
Die 5 „Boroughs“ I „Your’re looking great“!
Es ging in Staten Island sofort auf die erste Brücke. 65 Höhenmeter zum warm werden. Aber der Blick: Wir hatten Glück, liefen über diese zweistöckige Brücke oben und dann auch noch an der Manhattan zugewandten Seite. Was für eine Aussicht! Alleine der Wind ließ es uns nicht wirklich warm werden. Doch das änderte sich schnell, denn nach 2 Meilen erreichte man Brooklyn. Hier passierte es dann: Die ersten der eine Millionen (!) Zuschauer begrüßten uns euphorisch. Es ist schier unglaublich, wie sich die New Yorker für uns „Radom Strangers“ ins Zeug legten. Das hatte ich so noch nie erlebt. „Your’re looking great“, „Run“, „go for it“ schrie man uns entgegen. Alle wurden angefeuert. Bands spielten live: Heavy Metal, Rock, Folk, Jazz, Hauptsache schneller Rhythmus.
Mein Name wurde gerufen. Der klebte auf einem Sticker auf meinem Shirt und ist selbst für manch deutschen schwer, da selten (Ludger). Aber seit New York weiß ich, dass auch Amerikaner, diesen lesen und gut aussprechen können:
- „Luutjer“, wie Loot + Germany ohne „many“. Perfekt!
Da lief es sich leichter in den nächsten Stadtteil. Eine einige km lange gerade Straße wollte nicht enden. Aber schließlich erreichten wir Queens. Dort jubelten uns weitere Zuschauerinnen und Zuschauer zu. Die Beine taten schon weh. Immer wieder Steigungen. Es wurden am Ende insgesamt knapp 400 Höhenmeter. Eine Brücke kam. Sollte das die Queensboro Bridge gewesen sein? Auf der Kuppe: Halbmarathon. Wir kamen ans Ende und bogen um eine Kurve. Eine Wand tat sich auf: Hier, an der Queensboro Bridge mussten alle Läufer über die untere Ebene laufen. 45 Höhenmeter und der Tunnelblick ließen für viele die Brücke als Mauer erscheinen. Es gingen erstmals sehr viele Marathonis.
Foto: Jörg Löhr I NYCM2010 I http://der-laufgedanke.blogspot.de/2015/01/the-big-five.html |
Foto: Jörg Löhr I NYCM2010 I http://der-laufgedanke.blogspot.de/2015/01/the-big-five.html |
Die Brücke führte uns in die Upper East Side. Es ging 4 Meilen (!) die 1st Avenue nach Norden. Nach einer weiteren Brücke folgte unverwechselbar die Bronx.
„Hey, you runners. You did it so far. Hey you runners!
Welcome to the Bronx” skandierte ein Rapper aus einem Lautsprecher, dessen Bässe
uns wie ein beflügelnder Wind vorkamen. Wieder Band an Band. Jubel, Aufmunterung
durch das perfekte Publikum.Nur 1 ½ Meilen liefen wir dort. Die letzte Brücke
führte uns wieder nach Manhattan –
das hügelige Land.
Beachtlich: Ein Läufer mit Prothese (Foto: Interair) |
Mittlerweile
zieht es in den Beinen deutlicher. Meile 23 (von 26.2) ist geschafft. Es geht
die 5th Avenue nach Süden gen Central Park. Bei Meile 26 entschieden
wir – also meine Frau und ich – uns dazu, die letzten Kilometer Hand in Hand zu
laufen. Wir fassten uns an den Händen und dann brach die Hölle los. Was wir
dann erlebten übertraf alles, was uns vorher bereits Gutes getan wurde: Die
Menschen flippten schier aus, als sie ein Pärchen sahen, beglückwünschten uns,
riefen unsere Namen, feuerten uns wie der Teufel an. Das wirkte noch besser, als
die vielen Plakate ("Watch out! Trump is right behind you Run!“). Und so flogen
wir schließlich über die Ziellinie. Ja, die letzten 200 Meter den Hügel rauf
merkten wir dennoch in den Wanden. Aber die spürte ich schon nicht mehr – die
Erinnerung an die unglaubliche Begeisterung der Menschen am Rand half. Danke, liebe New Yorker.
Nach dem
Ziel ist vor dem Spaziergang
Kurz
hinter dem Ziel bekam man eine Folie, die (etwas) gegen das Auskühlen hilft.
Auch für eine gute Versorgung mit Iso-Energiedrinks, Wasser und einem „big
Apple“-Apfel war gesorgt. Dann sind wir im Central Park immer weiter nach
Norden gegangen. Es gab keinen Ausgang. Diejenigen, die Kleiderbeutel abholten,
mussten recht weit hoch in den Central Park gehen. Andere bekamen, wenn
gewünscht und angemeldet, einen schönen blauen Poncho, der mit Fleece gefüttert
ist. Das war auch nötig, denn wir sind bestimmt 1-2 km bis zur Ausgabe
gegangen. Unser Hotel lag zentral am Times Square. Das bedeutete, dass wir
wieder am Central Park entlang nach Süden gehen mussten, durch die
Family-Meeting Zone. Erst hinter dem Columbia Circle zerstreuten sich die
Läuferinnen und Läufer in alle Richtungen. Die leuchtend blauen Capes waren aber
überall sichtbar.„Hey, I give you a big hug“!
Vielleicht wegen dieses Erkennungszeichens spricht uns ein Mann an: „Hey, you did run?“ Er war begeistert, obwohl er sicher kein Sportler war. Das ist das Schöne an New York: Fremde freuten sich mit einem. Er gab uns erst die „Ghetto-Faust“ als Gruß, dann sah er in unsere Gesichter, uns sagte: „Hey, I give you a big hug“; sprach‘s und umarmte uns.
New York, New York
Es war vielleicht der bisher schönste Marathon, den wir gemacht haben. Da hat so viel gepasst. Sicher: Das Wetter war außergewöhnlich gut (relativ warm, trocken und wenig Wind, das Ganze mit Sonne verfeinert). Aber die Stimmung am Rand war schon euphorisch und spornte uns immer wieder an. Nicht auszuschließen, dass wir nochmal wiederkommen.
Bis bald
Liebe Wiebke, lieberLudger - WOW, tolle Berichterstattung vom NYC-Marathon!
AntwortenLöschenEs war eine sensationelle Laufreise, ein atemberaubendes Marathonerlebnis und 'ne echt coole Zeit mit euch Beiden.
InterAir hat auch einen prima Job gemacht; sehr zu empfehlen.
Herzliche Grüße, auch an Jörg. :-)
Liebe Eltje, Danke auch Dir für die Rückmeldung. Wir freuen uns auf den nächsten gemeinsamen Lauf...
LöschenWiebke und Ludger
Hai Wiebke und Ludger,
AntwortenLöschenals ein ich-laufe-maximal-14km-am-Stück-Teilzeitläufer spürt man eure absolute Begeisterung, in die ihr sehr viel Freizeit investiert. Hut ab! Ich bin beim Lesen ein klein wenig mitgelaufen :-)
Norbert
Aus 14 km können schnell mal 21 werden :-) Vielen Dank für das Kompliment. Aber 14 km sind auch nicht ohne, gerade wenn man nicht im Flachland läuft wie Du.
LöschenViele Grüße
Wiebke und Ludger