15.11.16

TCS NEW YORK CITY MARATHON 2016 I Hand in Hand dem Ziel entgegen!

Während ich am letzten Wochenende in Einruhr "Rund um den Rursee (Obersee)" lief, waren Freunde von mir im "Big Apple" aktiv. Natürlich wurden bei mir Erinnerungen an meinen eigenen New York Marathon 2010  geweckt und ein wenig neidisch war ich schon. Mit Überredungskunst war es mir jedoch gelungen, die beiden zu einer Kooperation als "Auslandskorrespondenten von "der-laufgedanke" zu bewegen! Beim Lesen des Beitrags standen mir zeitweise die Tränen in den Augen! Teilweise wegen der lustigen Episoden, natürlich wegen meiner eigenen Erinnerungen und am Schluß vor Rührung als die Story die letzten Streckenkilometer erreichte! 



Ludger & Wiebke: Jörg setzte uns den Floh ins Ohr, über den Marathon in New York einen Blogbeitrag zu schreiben. Wo fängt man da an? Am besten bei der Abholung der Startunterlagen…

Startunterlagen am Convention Center

Morgens nach der Ankunft ging es zum Convention Center, wo es die Startunterlagen für die ca. 50.000 Läuferinnen und Läufer gab. Mit dieser Teilnehmerzahl ist der New York Marathon der größte der Welt. Ein Marathon der Superlative! Wenn 50.000 Menschen sich Unterlagen abholen müssen, dann bedeutet das Warteschlangen. Und es ging schon gut los: Wir standen vor dem Gebäude und nichts bewegte sich… 


Warten auf Einlass I Foto: Ludger Schneider-Störmann
Foto: Ludger Schneider-Störmann

Pünktlich um 10 Uhr tat sich dann doch was: Einlass in die Halle!  Dann ging es sehr schnell: Es gab viele Volunteers die einem bei der Orientierung halfen. Und sehr schnell gaben mir die freundlichen Damen meine Unterlagen.


Foto: Ludger Schneider-Störmann

„Can I take a picture?” “As long as I don’t see myself as ‘wanted’ in a postal office, sure” 
Die Ladies hatten Humor!  


Dannach wurde es etwas unübersichtlicher. Um an die Shirts zu kommen, musste man an eine andere Stelle. Man konnte sogar vorher die Größe prüfen, welche besser passt. Anders als bei anderen Marathon-Wettbewerben legt man sich zwar auch vorher fest, kann sich aber nochmal umentscheiden. Nur solange Vorrat reicht, versteht sich;-)
Wir bekamen dort auch die Shirts für den Vorlauf „5k dash to the finish line.“ Dieser findet am Tag vorher statt und ist ein bunter Lauf mit vielen kostümierten Läuferinnen und Läufern aus aller Welt.
  
Wie in einem Ameisenhaufen…  (Fotos: Ludger Schneider-Störmann)

Dann kam man in den Messebereich. Hier hieß es: Kreditkarte anschnallen, Ohren verschließen und Scheuklappen auf – oder man gab sich dem Spektakel hin und ließ sich „ausrauben“. Die Preise waren gepfeffert aber viele sagten sich sicherlich: „Once in a lifetime“. Massen an Shirts, Jacken, Schuhen mit TSC NYC Marathon Beschriftung und viele nützliche und unnütze Dinge waren in der Halle zu kaufen. Der Stand des Hauptsponsors wurde zeitgemäß von einem DJ beschallt und das in einer unzeitgemäßen Lautstärke. Tausende von Kunden bewegten sich auf die Kassen hin, was erstaunlich schnell ging: „Time is money“


Der Kassenbereich (Fotos: Ludger Schneider-Störmann)

Nach wenigen Minuten waren wir dran, nach wenigen Sekunden die Kreditkarte belastet. 

Als wir am Abend des gleichen Tages wieder dort waren, um eine Freundin zu begleiten, war es im Vergleich zum Morgen entspannter und leerer. Wer also Zeit hat, sollte abends die Unterlagen abholen. Das ist einfach noch schneller.

5k Dash to the Finish Line

Morgens ging es zum Startpunkt, der nicht im Central Park ist, sondern an prominenter Stelle, dem "Haus der Vereinten Nationen". Wir standen dort zwischen dem eindrucksvollen Gebäude, vor dem die Flaggen aller Nationen im Wind wehten. Besonders pikant fanden viele, dass im Rücken der Trump Tower stand – wie wir heute wissen, des nächsten Präsidenten Bürogebäude. Viele die um uns standen waren da noch der Auffassung, dass es eine Präsidentin wird.
Es ist ziemlich einfach, sich mit anderen Reisenden aus aller Welt zu unterhalten. Wir klönen mit einem Australier, der sich mit Trumps Tower im Rücken vor dem eventuellen Wahlausgang (der ja auch so kam), gruselte. Ansonsten tauschen wir uns über die schönsten Läufe aus, die wir gemacht haben, nichtsahnend, dass schon morgen ein weiterer folgen wird.


Warm angezogen beim 5k-Genusslauf durch Manhattan (Foto: Interair)
Die Strecke führte von dort 5 km durch die City bis zum Central Park, direkt ans Ziel. Eine schöne Strecke, die von einigen Zuschauern gesäumt wurde. Der Lauf war schnell vorbei, leider, denn das Wetter spielte hervorragend mit. 
Wer schon mal spüren will, wie der Zieleinlauf sein wird, sollte dort unbedingt mitlaufen. Die letzten Meter geht es nämlich nochmal nach oben, ein Anstieg, der nach 26 Meilen schmerzen wird… 

Der große Tag
Schon viel wurde über den NYC Marathon berichtet. Aber ihn selber zu erleben ist was ganz Großes. 

Bildquelle: Travelhouse.com.cy

 

Die Vorbereitung Über Tage hinweg beobachteten wir das Wetter. Es sah für New York ungewöhnlich gut aus: Sonne und 10°C – 15°C. Dennoch: Alte Wintersachen anzuziehen war nötig. Denn es ging „vor dem Aufstehen“ los: Die Achilles-Läufer und Guides (Behinderte mit Begleitung) starteten um 04:30 Uhr per Bus von Manhattan nach Long Island, wir um 05:50 Uhr. Also hieß es früh den Wecker stellen. Dabei war eines zu beachten: Die Sommerzeit endete im Bundesstaat New York am 6.11.16 um 2 Uhr morgens (2 am). Dann wurden die Uhren auch dort um eine Stunde zurückgestellt. Aber: würde das unser Smartphone-Wecker alleine machen? Springt die Uhr im Hotelzimmer automatisch um? Oder etwa der telefonische Weckroboter? Nun, nachdem ich zweimal um 1:30 Uhr morgens wach wurde wusste ich, dass es mein Smartphone geschafft hatte:-)
Das frühe Aufstehen ging gut, weil wir erst kurz vor dem Lauftag in NY aus Deutschland angekommen waren: Da hilft dann mal der Jetlag;-)


Foto: Interair


Der Transfer und das lange Warten auf den Start

Der Bus füllte sich mit Läuferinnen und Läufern, einige verschlafen, andere aufgeregt und wach. Wir fuhren ca. 1 h über Brooklyn und die Verranzano Narrows Bridge nach Staten Island, wo am Fuße der Brücke das Camp für Läufer war. Es dämmert zweimal: zum einen der Tag, denn die Sonne ging auf, zum andern uns, denn wir würden in 4-5 Stunden wieder über diese Brücke nach Brooklyn kommen. Nur dieses Mal laufend. Und die Brücke hatte es in sich: 65 Höhenmeter, direkt ein  knallharter „Kaltstart“.
Im Startbereich war alles weitläufig. Es gab alles, was das Herz begehrt: Wasser, Kaffee, Tee, Protein-Riegel, Bagel, Donuts und eine wirklich ausreichende Zahl an WCs. Die heißen nicht „Dixi“ sondern „Royal Flush“. Das macht das Bedürfnis aber auch nicht zum Erlebnis. Ein Kringelbäcker gab Fleece-Mützen aus gegen die Kälte. Wir hatten eine ganz lange Liste an Dingen selber mitgebracht: Am nötigsten waren Decken, kleine Isomatte, Wasser, WC-Papier. Unser Reiseveranstalter (Danke Interair !) hatte im Vorfeld eine sehr umfassende und aus unserer Sicht vollständige Liste zukommen lassen. Das hilft!
Wir hatten Glück: Das Wetter passte, die Sonne stieg und es ging ein frischer Wind. Schon eine Stunde vor unserer Startwelle – hier gab es vier davon – gingen wir in unseren sogenannten „Corral“, dem Starblock. Durch das Wetter und die vielen netten Gespräche war es kurzweiliger als befürchtet. 

Der Start oder: Wie bekommt man 50.000 geordnet auf die Straße?

Es gab 3 „Farben“ (grün, orange und blau), nach denen die Marathonis sich einordneten. In jedem dieser Blöcke gab es 4 Startwellen. Jede Welle und jede Farbe hatte wiederum 6 Startblöcke A bis F. Die Läufer wurden also in kleinen Paketen mit knapp 700 Personen auf die Strecke geschickt. Geschickt! Denn so kam es zu keinem Gedränge.
Auch in den Corrals war die Organisation perfekt: Auch hier konnte man seine wärmende Kleidung abgeben und spenden, auch hier waren WCs. Und die ganz verfrorenen warfen die Kleidung erst 10 Meter vor dem Start in die Behälter.
„I want to be a part of it, New York“ erklang es (für jede Welle), dann folgte ein Kanonenschuss. Was für eine Stimmung. Gänsehaut pur. Es ging los!


Grand Veranzano Narrow Bridge I NYCM2010 

Die 5 „Boroughs“ I 
„Your’re looking great“!

Es ging in Staten Island sofort auf die erste Brücke. 65 Höhenmeter zum warm werden. Aber der Blick: Wir hatten Glück, liefen über diese zweistöckige Brücke oben und dann auch noch an der Manhattan zugewandten Seite. Was für eine Aussicht! Alleine der Wind ließ es uns nicht wirklich warm werden. Doch das änderte sich schnell, denn nach 2 Meilen erreichte man Brooklyn. Hier passierte es dann: Die ersten der eine Millionen (!) Zuschauer begrüßten uns euphorisch. Es ist schier unglaublich, wie sich die New Yorker für uns „Radom Strangers“  ins Zeug legten. Das hatte ich so noch nie erlebt. „Your’re looking great“, „Run“, „go for it“ schrie man uns entgegen. Alle wurden angefeuert. Bands spielten live: Heavy Metal, Rock, Folk, Jazz, Hauptsache schneller Rhythmus.

Mein Name wurde gerufen. Der klebte auf einem Sticker auf meinem Shirt und ist selbst für manch deutschen schwer, da selten (Ludger). Aber seit New York weiß ich, dass auch Amerikaner, diesen lesen und gut aussprechen können: 

  • „Luutjer“, wie Loot + Germany ohne „many“. Perfekt!

Da lief es sich leichter in den nächsten Stadtteil. Eine einige km lange gerade Straße wollte nicht enden. Aber schließlich erreichten wir Queens. Dort jubelten uns weitere Zuschauerinnen und Zuschauer zu. Die Beine taten schon weh. Immer wieder Steigungen. Es wurden am Ende insgesamt knapp 400 Höhenmeter. Eine Brücke kam. Sollte das die Queensboro Bridge gewesen sein? Auf der Kuppe: Halbmarathon. Wir kamen ans Ende und bogen um eine Kurve. Eine Wand tat sich auf: Hier, an der Queensboro Bridge mussten alle Läufer über die untere Ebene laufen. 45 Höhenmeter und der Tunnelblick ließen für viele die Brücke als Mauer erscheinen. Es gingen erstmals sehr viele Marathonis.


Foto: Jörg Löhr I  NYCM2010 http://der-laufgedanke.blogspot.de/2015/01/the-big-five.html
Foto: Jörg Löhr I  NYCM2010 I http://der-laufgedanke.blogspot.de/2015/01/the-big-five.html

Die Brücke führte uns in die Upper East Side. Es ging 4 Meilen (!) die 1st Avenue nach Norden. Nach einer weiteren Brücke folgte unverwechselbar die Bronx.


Die Spitzengruppe der Läufer mit dem späteren Gewinner Ghebreselassi  (Foto: Interair)

„Hey, you runners. You did it so far. Hey you runners! Welcome to the Bronx” skandierte ein Rapper aus einem Lautsprecher, dessen Bässe uns wie ein beflügelnder Wind vorkamen. Wieder Band an Band. Jubel, Aufmunterung durch das perfekte Publikum.Nur 1 ½ Meilen liefen wir dort. Die letzte Brücke führte uns wieder nach Manhattan – das hügelige Land.


Beachtlich: Ein Läufer mit Prothese (Foto: Interair)

Viel Spaß beim Laufen: Chrysler Building im Hintergrund, Meile 14 (Foto: Interair)
Mittlerweile zieht es in den Beinen deutlicher. Meile 23 (von 26.2) ist geschafft. Es geht die 5th Avenue nach Süden gen Central Park. Bei Meile 26 entschieden wir – also meine Frau und ich – uns dazu, die letzten Kilometer Hand in Hand zu laufen. Wir fassten uns an den Händen und dann brach die Hölle los. Was wir dann erlebten übertraf alles, was uns vorher bereits Gutes getan wurde: Die Menschen flippten schier aus, als sie ein Pärchen sahen, beglückwünschten uns, riefen unsere Namen, feuerten uns wie der Teufel an. Das wirkte noch besser, als die vielen Plakate ("Watch out! Trump is right behind you Run!“). Und so flogen wir schließlich über die Ziellinie. Ja, die letzten 200 Meter den Hügel rauf merkten wir dennoch in den Wanden. Aber die spürte ich schon nicht mehr – die Erinnerung an die unglaubliche Begeisterung der Menschen am Rand  half. Danke, liebe New Yorker.

Nach dem Ziel ist vor dem Spaziergang

Kurz hinter dem Ziel bekam man eine Folie, die (etwas) gegen das Auskühlen hilft. Auch für eine gute Versorgung mit Iso-Energiedrinks, Wasser und einem „big Apple“-Apfel war gesorgt. Dann sind wir im Central Park immer weiter nach Norden gegangen. Es gab keinen Ausgang. Diejenigen, die Kleiderbeutel abholten, mussten recht weit hoch in den Central Park gehen. Andere bekamen, wenn gewünscht und angemeldet, einen schönen blauen Poncho, der mit Fleece gefüttert ist. Das war auch nötig, denn wir sind bestimmt 1-2 km bis zur Ausgabe gegangen. Unser Hotel lag zentral am Times Square. Das bedeutete, dass wir wieder am Central Park entlang nach Süden gehen mussten, durch die Family-Meeting Zone. Erst hinter dem Columbia Circle zerstreuten sich die Läuferinnen und Läufer in alle Richtungen. Die leuchtend blauen Capes waren aber überall sichtbar.
  
 „Hey, I give you a big hug“!
Vielleicht wegen dieses Erkennungszeichens spricht uns ein Mann an: „Hey, you did run?“ Er war begeistert, obwohl er sicher kein Sportler war. Das ist das Schöne an New York: Fremde freuten sich mit einem. Er gab uns erst die „Ghetto-Faust“ als Gruß, dann sah er in unsere Gesichter, uns sagte: „Hey, I give you a big hug“
; sprach‘s und umarmte uns. 


 New  York, New York
Es war vielleicht der bisher schönste Marathon, den wir gemacht haben. Da hat so viel gepasst. Sicher: Das Wetter war außergewöhnlich gut (relativ warm, trocken und wenig Wind, das Ganze mit Sonne verfeinert). Aber die Stimmung am Rand war schon euphorisch und spornte uns immer wieder an. Nicht auszuschließen, dass wir nochmal wiederkommen.

 Bis bald

4 Kommentare:

  1. Liebe Wiebke, lieberLudger - WOW, tolle Berichterstattung vom NYC-Marathon!
    Es war eine sensationelle Laufreise, ein atemberaubendes Marathonerlebnis und 'ne echt coole Zeit mit euch Beiden.
    InterAir hat auch einen prima Job gemacht; sehr zu empfehlen.

    Herzliche Grüße, auch an Jörg. :-)

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    1. Liebe Eltje, Danke auch Dir für die Rückmeldung. Wir freuen uns auf den nächsten gemeinsamen Lauf...
      Wiebke und Ludger

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  2. Hai Wiebke und Ludger,
    als ein ich-laufe-maximal-14km-am-Stück-Teilzeitläufer spürt man eure absolute Begeisterung, in die ihr sehr viel Freizeit investiert. Hut ab! Ich bin beim Lesen ein klein wenig mitgelaufen :-)
    Norbert

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    1. Aus 14 km können schnell mal 21 werden :-) Vielen Dank für das Kompliment. Aber 14 km sind auch nicht ohne, gerade wenn man nicht im Flachland läuft wie Du.
      Viele Grüße
      Wiebke und Ludger

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