06.09.19

PitzalpineGlacierTrail - P45G / 45km mit +2800 Höhenmetern

Ein Ultratrail-Trippel - das ursprünglich gar keines werden sollte und warum Wettkampf nicht gleich Wettkampf ist! I Teil 2


Mein 2. Event steht also nur 2 Wochen nach dem EigerUltraTrail auf dem Programm. Wieder reise ich am Freitag an, diesmal ganz alleine – von Zuhause fahre ich knappe 2,5h ins Pitztal. Nachdem ich in Mandarfen, auf ca. 1700m.ü.n. dem Startpunkt des Rennens angekommen bin, unterziehe mich direkt dem Pflichtausrüstungscheck und hole meine Startunterlagen bevor ich mein Hotel, welches sich 800m vom Eventgelände befindet, beziehe. 



               

 
Pflichtausrüstung beim Pitzalpine P45 Gletscher Trail - Gesamtgewicht der Pflichtausrüstung inkl. Wasser - ca 4kg
      
                                                                                                                                           
Am späten Nachmittag treffe ich mich mit Marius, den kenne ich vom EigerUltra vor 2 Wochen – wir trinken einen gemeinsamen Kaffee, quatschen und ich besuche das Racebriefing zur Strecke. Hier werden wichtige Informationen zur Strecke bekannt gegeben und nochmals auf eventuelle Gefahrenstellen hingewiesen. Danach verschwinde ich in mein Hotel, esse zu Abend und liege pünktlichst um 22 Uhrim Bett. Die Nacht wird kurz, das weiß ich jetzt schon…

                                                                                                                                                                      
Höhen,- und Streckenprofil - Pitzalpine (Quelle: www.pitzalpine.de)


3. August - Its Raceday, again!
Der Wecker geht, WAS!? Schon 3.00Uhr? Ich überlege kurz liegenzubleiben und doch nicht zu starten... entschließe mich dann aber doch dazu aufzustehen. Ich ziehe mich an, präpariere alles für den bevorstehenden Lauf und frühstücke das, was mir das Hotel gestern Abend schon aufs Zimmer gebracht hatte. Ich bin ruhig, nicht aufgeregt und freue mich jetzt doch auf das, was kommt. Kurz nach 4 Uhr packe ich alles zusammen und verlasse mein Zimmer in Richtung Startbereich – es ist noch Stockdunkel – auf dem Weg nach Mandarfen, benutze ich meine Stirnleuchte und das Rücklicht welches in der Pflichtausrüstung steht direkt. Am Horizont sehe ich viele kleine Lichter, die sich den Berg hoch schlängeln, wie tausende Glühwürmchen, total schön! Es sind die Läufer der Distanzen P105, P80 und P60, die waren schon um 3:30 Uhr gestartet und bereits auf dem ersten harten Anstieg, der mir gleich blühen würde. Im Eventbereich angekommen ist es noch ruhig – ich setzte mich auf eine Bank, beobachte die langsam eintrudelnden Mitstreiter und warte bis der Startbereich um ca um 4:40Uhröffnet. Ich stelle mich zu einer weiteren kleinen provisorischen Pflichtkontrolle an. Stirnlampe, Rücklicht, Regenjacke und Spikes für die Gletscher Querung – alles da!
Im Startblock ist die Atmosphäre eigentlich entspannt, einige hopsen unruhig auf der Stelle, vermutlich um nicht auszukühlen. Andere hören Musik oder quatschen. Heute laufe ich alleine. Für mich ohne Begleitung und ohne Trail Partner! Um Punkt 5 Uhr ertönt der Startschuss und wir setzten uns in Bewegung. Gute 1,5km geht es minimal Bergan bis der erste lange und wirklich harte Anstieg auf uns wartet. Gute 1400Höhenmeter gilt es auf den ersten insgesamt 7km des Rennens zu bewältigen. Das ist eine Hausnummer und wird mich gleich ziemlich nah an meine Grenzen bringen. Ich schiebe mich also, mithilfe meiner Stöcke, serpentinenartig den Berg hinauf. Beim Blick nach oben sehe ich viele rote Rücklichter, beim Blick nach unten viele Stirnlampen. Langsam wird es hell, der Blick ins Tal wird sichtbar, über dem Startort hängt eine dicke Wolke.


Linkes Foto: Start des P45G - www.sportograf.com


Diese Wolke zieht in unsere Richtung und hüllt uns kurze Zeit später komplett ein – es wird richtig kalt! Und man sieht jetzt wegen des Nebels überhaupt nichts mehr. Nicht Mal den noch vor uns liegenden Weg kann man wirklich erkennen, was vielleicht auch ganz gut ist. Einige Zeit geht es also bei eisigem Wind und Nebel den Berg hinauf.
Gut, dass ich meine Regenjacke schon vor dem Start angezogen hatte. Ich mache die Stirnleuchte und das Rücklicht an meiner Laufweste aus und merke, wie ich langsamer werde und meine Euphorie langsam schwindet. Ich lasse immer mal wieder einige Läufer vorbei als sich der Nebel plötzlich verzieht und ich mit dem Blick nach oben meinen Augen nicht traue. Sehe ich da oben etwa Läufer? Soll ich da rauf? Ernsthaft? Das schaffe ich niemals – das war nicht steil, das war beinahe senkrecht! Ich nehme weiter an Tempo raus und denke schon das erste mal über ein DNF (Did not finish) nach...aber wer gibt denn schon auf den ersten Kilometern auf? Also weiter. Ich habe wirklich schon gar nicht mehr damit gerechnet aber das Ende des Mörder-Anstiegs war tatsächlich plötzlich doch in Sicht und als ich dann oben auf der Mittagskogelscharte ankomme und von dem netten Mann der Bergwacht mit Namen begrüßt werde, waren tatsächlich wieder mal alle Anstrengungen der letzten Stunden vergessen. Ich habe für die ersten 7 Kilometer fast zweieinhalb Stunden benötigt und war damit immer noch im guten Mittelfeld meine Disziplin unterwegs. Das war wirklich tough – aber geschafft. Der Weg führt über grobe Stein, Felsen und einige Schneefelder bis ich endlich den Gletscher sehen kann – was für ein genialer Anblickt. Ich freue mich und laufe direkt in dessen Richtung, als ich plötzlich auf Geröll ausrutschte und nach hinten kippe. Puh, gerade nochmal abgefangen und schlimmeres verhindert. Ich stehe wieder auf, mache einen Schritt nach vorne und rutsche auf einer Mini-Eisplatte aus, falle ziemlich doof nach vorne und schlage mit dem Knie auf einem Felsen auf. Okay, das war klar. Ich stehe auf, alles noch dran - blutet etwas - aber nicht so schlimm.

                                                                                                                                                                             
Sturz im ersten Downhill // Anblick des Gletschers nach Querung


Weiter geht’s, die Verpflegungsstelle wartet auf mich – es ist Zeit für ein zweites Frühstück! Nach kurzer Stärkung ist es endlich so weit – jetzt ist der Gletscher dran. Ich hatte noch nie einen in Live gesehen und war entsprechend verzaubert bei dem Anblick. Schnell die Spikes über die Schuhe gezogen und ich starte die Querung des (leider wohl nicht mehr lange vorhandenen) „ewigen Eises“. Erst laufe ich ganz vorsichtig, dann schließe ich Vertrauen in die Spikes und laufe etwas schneller. Ich habe richtig Spaß - es fühlt sich wie Fliegen an!

                                                                                                                                                                                        
Fotos: www.sportograf.com // Pitztaler Gletscher


Und schon kurze Zeit später lasse ich den Gletscher schweren Herzens hinter mir. Auf ebenfalls wunderschönen Singletrails geht´s von hier wieder leicht bergauf in Richtung Braunschweiger Hütte. Von dort startet der erste langgezogenen Downhill, welchen ich als relativ anspruchsvoll empfinde, vor allem weil die Steine durch den Regen am Vortag alle nass und entsprechend rutschig sind. Ich schraube mich Richtung Tal, sammel bereits hier die erste Läuferin des P100 ein (die war 1,5Stunden vor mir gestartet) und komme auf den letzten Metern dann so richtig in Fahrt und sammle ein paar Läufer ein, die mir vorher bergauf davon gekommen sind – es läuft und ich freue mich auf das Zwischenziel in Mandarfen. Bevor es auf den 2. und auch längeren Loop des Rennens geht, bunker´ ich noch etwas Schokolade und Traubenzucker für unterwegs. Auf dem Downhill hatte jemand was von "das schlimmste kommt noch" gesagt, ich versuche das alles zu ignorieren und lasse es auf mich zukommen, setze mich wieder in Bewegung und laufe weiter in Richtung Rifflsee – der Aufstieg dort hoch ist im Vergleich zum ersten recht einfach zu bewältigen und ich genieße die Aussicht. Da ist er auch schon, der Rifflsee – die Farbe? ein absoluter Traum!
                                                                                                                                                                                           
Linkes Fotos: www.sportograf.com // Rifflsee
 

Die Teilnehmer des P45G laufen eine halbe Runde um den See und anschließend eine Art Tal, leicht Bergauf bis wir am Ende eine Kehrtwende einlegen und auf einem höhergelegen Singletrail wieder zurücklaufen. Von Oben sieht das ganze fast noch schöner aus. Unterwegs lerne ich einen Läufer kennen. Wir tauschen uns kurz über unsere vorherigen Läufe aus, stellen einige Gemeinsamkeiten fest und ehe ich mich versehe ist er auch schon über alle Berge. Ich kämpfe mich alleine weiter, bevor es am Ploderersee vorbeigeht. Ab jetzt sieht die Strecke eigentlich einfach aus, hat es aber in sich. 
Durch die vorherigen Anstiege sind meine Beine mittlerweile müde und fühlen sich langsam schwer an. Die nächsten fast 10 Kilometer bewege ich mich in Wellenbewegungen auf dem Fuldaer Höhenweg immer auf und ab, aber eigentlich mehr rauf. Ich treffe nunmehr kaum Läufer, dafür jede menge Kühe, die teils auf den engen Wegen liegen oder ganz neugierig und ruhig auf mich zukommen. Das nächste Ziel ist das Taschachhaus, aber irgendwie kommt und kommt es einfach nicht. "Wo ist das doofe Haus, das muss man doch jetzt schon bald mal sehen..?" Zwischendurch fängt es an leicht zu regnen und kurzzeitig minimal zu hageln, ich ziehe meine Regenjacke wieder an und es hört auf, mir ist trotzdem kalt, obwohl die Sonne scheint. Mittlerweile habe ich keine wirkliche Lust mehr, dieser weg demotiviert mich und ich spüre das lädierte Knie zwischen durch immer mal kurz.

                                                                                                                                                              
Neugierige Kuh auf dem Weg zum Taschachhaus
             
Ich denke das zweite mal über ein DNF nach. Und darüber alles, wirklich alles einfach hinzuschmeißen und alle anderen geplanten Events abzusagen. Ich bin sowohl körperlich als auch mental irgendwo am Rande meiner Kräfte und setze mich kurz auf einen Felsen. Weine ich? Einige Tränen kullern über meine Backen. Die Aussicht kann ich schon seit einigen Kilometern nicht mehr genießen.


Fotos: www.sportgraf.com


Ich überlege nochmals auszusteigen, komme dann aber zum Entschluss: "Wenn ich jetzt aussteige muss ich trotzdem selbst zurück ins Tal zurück, abholen tut mich hier oben wohl niemand, also beweg dich weiter!" und dann sehe ich es Endlich! Das besagte Haus ist sichtbar. Allerdings wärt meine Freude nur kurz, als ich den letzten steilen Anstieg sehe.. aus dem Briefing wusste ich das ja - aber ich hatte das wohl verdrängt. Während ich mich da also den Fels an verschiedenen Stahlseilen hochziehe überholen mich 2 Läufer, die sehen überhaupt nicht fertig aus? Was mache ich falsch? Ich gucke ihnen neidisch hinterher und folge in meinem Tempo. Ich bin noch nicht ganz oben als die Bergwacht schon zu sehen ist. Die zählen die Läufer, schreiben die Nummern auf, damit niemand verloren geht und überblicken die Lage. 'gleich geschafft' und tatsächlich. Ziemlich fertig komme ich oben an als ich sehe, dass sich die beiden Läufer sich ein Highfive geben. Die Situation macht mich traurig, niemand feiert mit mir, den letzten überwundenen Anstieg - denn, ich bin heute ein Einzelkämpfer, ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen, keiner muss auf mich warten - dafür leide ich auch alleine und kann schöne Momente und Aussichten mit keinem teilen! Downhill zum Verpflegungspunkt an besagtem Haus, hier stopfe ich kurz alles in mich rein, was ich finden kann und ich laufe ohne große Verschnaufpause weiter. Jetzt nur noch Downhill - 9km lang. Und Ja! Meine Kraft ist zurück und es läuft wieder. Ich sammle noch ein paar Läufer ein, genieße die Aussicht und wundere mich über die Pferde am Streckenrand. Schon bald man kann das Ziel hören und dann auch sehen. Jetzt fliege ich gefühlt, einige Wanderer zeigen mir mit dem "Daumen nach oben" dass ich es gleich geschafft habe. Die letzten Meter auf hartem Asphalt tun jetzt richtig weh. Egal, Zielbogen in Sicht - Arme hoch, lächeln! Geschafft! Ich bin im Ziel, bekommen meine Medaille um den Hals gehangen. Kann mich kaum auf den Beinen halten. Woher hatte ich die Kraft für den Schlusssprint?


Foto links: www.sportograf.com // Zieleinlauf + Medallie


Fazit zum Rennen: Der PitzalpinenGalcier Trail ist ein beeindruckendes Event und gilt, wie ich selbst erfahren durfte, nicht umsonst als einer der anspruchsvollsten Trails in Österreich. Dieser Lauf hat mich definitiv an meine körperlichen und mentalen Grenzen gebracht. Ich kann sagen, das war das härteste, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe! Heute musste ich richtig kämpfen, mir selbst in den Arsch treten und mich überreden nicht das Handtuch zu werfen. Ich hatte zwar insgesamt mit einer deutlichen schnelleren Zeit gerechnet, allerdings war ich einfach nur froh überhaupt gesund im Ziel angekommen zu sein. Der stolz über dieses Finish kam erst am nächsten Tag, als ich realisiert habe, was ich da am Vortag geleistet habe. Die nächsten drei Tage war ich auch so gut wie zu nichts zu gebrauchen. Das zweite, und auch wirklich harte Rennen hat mir wohl die Energie aus dem Körper gezogen.
Übrigens hatte ich und alle Läufer, mit denen ich gesprochen hatte knappe 50km mit +3200 Höhenmetern auf der Uhr. ;-) 

In den nächsten Tagen erfahrt Ihr, wie es beim letzten Ultra, dem legendären HuBuT Longtrail 66km weiterging! Noch einmal "HardTrail" auf "der-laufgedanke" ;-)))

Bis bald

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