30.01.15

Runner´s High: Endorphine, Flow oder Trance?



Runners High
Nach vielen Kilometern während eines anstrengenden Langlaufes erleben viele Läufer ein außergewöhnliches Gefühl der Euphorie!  Manch einer erlebt eine Form von Trance, in welcher man völlig „abgehoben“  fast automatisiert läuft.  Andere berichten von einem  „zweiten Wind“ nach einer Phase der Erschöpfung. Für viele ist es die reine Euphorie, welche den Läufer zum Ende des Rennens ins Ziel „fliegen“ lässt. Wieder andere haben diese Euphorie noch nie erlebt – aber sprechen von einem Zustand der inneren Ruhe und der höchsten Zufriedenheit nach der körperlichen Anstrengung!


Runner High !?


  Was sich hinter diesen Gefühlen  verbirgt, ist bis heute umstritten. Mittlerweile gibt es neue Daten, die die alte These der körpereigenen Opiate (Endorphine) als Ursache für den „Runner´s High“ stützt!



Was sind Endorphine?
Der Begriff Endorphine ist die Kurzform von Endogene Morphine. Es sind vom Körper selbst hergestellte Morphine. Ihre Aufgabe besteht darin, den Menschen  auf (schmerzhafte) Notsituationen vorzubereiten. Ihnen wird eine wichtige Rolle beim Geburtsvorgang zugeschrieben. Auch das Phänomen, dass Schwerverletzte kurz nach einem Unfall über wenig Schmerzen klagen, wird mit der Wirkung der Endorphine in unserem Körper erklärt.
Produziert werden die Endorphine in bestimmten Bereichen unseres Gehirns (Hypophyse, Hypothalamus). Sie binden im Körper an den gleichen Rezeptoren (Bindungsstellen) wie Opiate, was berauschende und euphorische Gefühle auslösen kann. Gerne werden Sie deshalb auch als „Glückshormone“ bezeichnet!



Synthesorte der Endorphine

Biochemisch betrachtet handelt es sich um Peptide. Dies sind kleine Moleküle, welche aus wenigen Amminosäuren zusammengesetzt sind. Da die Endorphine einen Einfluss auf das Nervensystem und das Gehirn haben, spricht man von Neuropeptiden!
In der Vergangenheit wurde untersucht, wann es zum Anstieg von Endorphinen im Körpers eines Läufers kommt: Die Ergebnisse der Untersuchungen lauteten, dass die Belastungintensität hoch sein muss! Ein Laktatwert von 4 mmol/l muss überschritten werden oder es muss eine längere Belastungsdauer vorliegen. Diese Daten wurden bereits 2009 erhoben (Hollmann & Strüder). Trotz dieser Untersuchungen gibt es in der Sportwissenschaft immer noch Diskussionen darüber, in welchem Bereich die Belastungsgrenzen und die die höchste Wahrscheinlichkeit für einen Runner´s High liegen! Erfahrungsberichte von Läufern lassen jedoch vermuten, dass eine hohe Intensität, bei der sich Anforderung und Leistungsfähigkeit gerade noch im Einklang befinden, am günstigsten ist!

Aber - Sportpsychologen hatten die Endorphin-Theorie bereits für Tod erklärt:


"Endorphine unterdrücken die Schmerzen beim Laufen,
machen aber nicht glücklich!"


Die erhöhten Endorphinspiegel nach anstrengenden Laufeinheiten wurden von diesen Wissenschaftlern nicht als Argument anerkannt.  Dies hat damit zu tun, dass die Erhöhung im Blut nicht zu den Euphorie-Effekten führen kann. Die Wissenschaftler halten es für sehr fragwürdig, dass man von Endorphinkonzentration im Blut auf Vorgänge im Gehirn schließen kann. Nur dort können unsere Emotionen (wie Euphorie) ausgelöst werden. Bedeutender wäre die Messung im Gehirn. Das Liquor („Nervenwasser“)  aus dem Nervensystem / Gehirn (unmittelbar nach der Aktivität) zu gewinnen, ist jedoch kaum möglich bzw. beinhaltet  auch höhere Risiken für die Probanden (Testpersonen / Läufer).

Flow 
Der Erklärungsansatz der Sportpsychologen war das sogenannte „Flow-Erleben“.  Als Ursache für das Flow-Erleben wurde eine höhere Durchblutung der Hirnbereiche, welche die Laufmotorik steuern, definiert.  Infolgedessen werden Hirnbereiche (präfrontaler Cortex/Teil der Großhirnrinde), welche wir für gezielte Planung und Problemlösung benötigen werden, geringer durchblutet!

„Unter Flow versteht man das Gefühl der Leichtigkeit und dem völligen Aufgehen in seiner Tätigkeit. Es liegt eine Art rausch-ähnlicher Zustand vor, bei dem Körper und Geist mühelos zusammenwirken!“

Das herunterfahren der höheren kognitiven Aufgaben (durch die geringere Durchblutung in den dafür zuständigen Hirnarealen) könnte ebenfalls die Phänomene: Schmerzlinderung, Verlust der Wahrnehmung von Raum und Zeit, Gefühl der Euphorie erklären!
Das ganze Modell wird nicht einfacher, wenn man die weiteren Gegenargumente  liest: Intensive Aktivitäten müssen nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Endorphinkonzentration führen.  Gegner der Endorphin-These  weisen darauf hin, dass bei einer so komplexen neuronalen Aktivität, wie dem Laufen,  weitere Neurotransmitter-Systeme (Stichwörter: Endocannabinoide, Serotonin, Dopamin, Noradrenalin) beeinflusst werden.


Was sind Neurotransmitter?
Neurotransmitter sind biochemische Stoffe, welche Reize von einer Nervenzelle zu einer anderen Nervenzelle oder Zelle weitergeben, verstärken oder modulieren.
(aus: DocCheck Flexikon)

Trance
Ein weiterer Ansatz zur Erklärung des Euphorie-Zustands beim Langlauf ist die Beobachtung, dass man durch langanhaltende sich wiederholende, motorische Aktivitäten in einen tranceähnlichen Zustand gelangen kann. In der Trance treten außergewöhnliche Gefühle von Leichtigkeit, Wärme, Euphorie, Glück, Freude und Ekstase auf!

Runner´s High aufgeklärt!?
Ein echter Durchbruch zur Erklärung des Phänomens mittels der Endorphin-Therape ist mittlerweile deutschen Forschern aus Münster & Bonn gelungen.

Vergleich: Läufergehirn vor und nach einem Langlauf
In ihrem Versuchsansatz injizierten Sie 10 Läufern eine radioaktive Substanz, welche sich ebenfalls an den Bindungsstellen der Endorphine im Gehirn fest binden.  Untersucht wurden Bereiche (limbischer und präfrontale Bereich), welche für die Entwicklung von Stimmung & Emotionen zuständig sind. Die Läufer wussten vor der Studie nicht darüber Bescheid, was man genau untersuchen wollte. Somit konnte man relativ  unbeeinflusste  Daten zu Emotionen während der kleinen Studie mittels eines psychologischen Standarttests erfassen. Mit einem sogenannten PET-Verfahren (Positronen-Emissions-Tomographie) kann man in gefärbten Aufnahmen überprüfen, wieviel dieser radioaktiven Substanz tatsächlich gebunden vorliegt! Die Athleten mussten zwei Stunden laufen! Die PET-Messungen erfolgten vor und nach dem langen 2 stündigen Lauf! Anschließend wurden die PET-Aufnahmen verglichen!


Ergebnis der PET-Untersuchung
 Bild: Homepage der Universitätsklinik Bonn

Das Bild ist ein Ausschnitt der verschiedenen PET- Ergebnisse der Läufer nach der Untersuchung. Die Färbung im Bild zeigt die radioaktive Substanz an. Es wurde vor und nach der langen Laufeinheit verglichen. Dieses Bild zeigt einen Bereich des Gehirns (orbitofrontalen Cortex), in welchem die Bindung der radioaktiven Substanz nach Endorphinfreisetzung vermindert wurde.

Die Endorphine werden an den Nervenendigungen in den sogenannten synaptischen Spalt ausgeschüttet. Der synaptische Spalt bezeichnet im Nervensystem damit den Raum zwischen zwei Synapsen (Nervenenden). In die diesem Zwischenraum werden Überträgersubstanzen (z.b. Endorphine) aus Vesikel (kleine Blasen) ausgeschüttet und Signale von einer Nervenzelle zur anderen übertragen. Da nach dem Lauf wesentlich weniger radioaktive Substanzen angelagert waren, konnte man davon ausgehen, dass während der Aktivität eine hohe Konzentration von Endorphinen ausgeschüttet wurde und dadurch mit den radioaktiven Substanzen in eine Konkurrenz um die Bindungsstellen trat. Diese große Menge Endorphine hatte die radioaktiv markierten Substanzen verdrängt!

 

 Bild: Homepage der Universitätsklinik Bonn

Da parallel zu diesen biochemischen Untersuchungen bei  den  Läufern der psychologische Standardtest durchgeführt wurde, konnte man gleichzeitig auftretende Emotionen erfassen. Alle Läufer hatten nach dem Lauf einen höheren Grad an Euphorie. Dies korrelierte auch noch mit dem mit dem individuellen Ausmaß an Endorphinausschüttung. Das bedeutet, dass das Hochgefühl (Runners High) umso intensiver erlebt wurde, desto weniger radioaktive Substanzen gebunden waren. (Boecker et. al. 2008)


 Bild: Homepage der Universitätsklinik Bonn

Von diesen Ergebnissen, welche die Endorphin-Theorie untermauern,  zeigen sich mittlerweile auch Kritiker der Endorphin-Theorie beeindruckt. Langlauf führt zu einer erhöhten Freisetzung von Endorphinen nicht nur im Blut sondern auch in den interessanten Hirnbereichen!
Literatur:
H.Boecker et al. The Runner´s High: Opioidergic Mechanisms in the Human Brain
Cerebral Cortex November 2008;18:2523-2531


Bis bald
Joerg

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