Seit heute ist ein Film in den Kinos zu sehen, der das Bombenattentat vor der Ziellinie des Boston-Marathons und die nachfolgenden Ereignisse thematisiert. Am 15. April 2013 starben auf der Zielgeraden drei Menschen und 264 weitere wurden durch die Splitter der Bomben verletzt! Vier Jahre nach den schrecklichen Ereignissen vermittelt ein Hollywood-Thriller nun Einblicke in die Abläufe nach dem Attentat! Ein klassischer Action-Film der die Jagd nach den Tätern in rasanten Bildern beschreibt. Obwohl die Filmkritik recht gut ausfällt, war der Film in den USA nicht sehr gut besucht
Mich berührt diese Geschichte immer noch sehr, da ich damals nur 400-500m entfernt war und die Hektik, Angst und Unruhe nach den beiden heftigen Explosionen erlebt habe. Die Abläufe dieses Tages gehen mir seither nicht mehr aus dem Kopf und in diesem Post habe ich meine persönlichen Erlebnisse noch einmal zusammengefasst!
Am Morgen des 15 April 2013 versammelten sich in der Bostoner Innenstadt die 30.000 Teilnehmer des 117. Boston Marathon. Es ist Patriots Day - der Feiertag in den New England Staaten an der Ostküste! Am frühen Morgen war die Vorfreude, der Stolz dabei zu sein und die Spannung vor dem Rennen deutlich zu spüren.
Am Tag vor dem Marathon - kurz vor der Ziellinie! |
Da der Boston Marathon von der Ortschaft Hopkinton bis in die Bostoner Innenstadt verläuft, ist es eine logistische Herausforderung alle 30.000 Läufer am Morgen des Marathons mit hunderten von Schulbussen in das weit entfernte Hopkingthon zu transportieren. Auf dem Boston Common, einem Park in der Innenstadt stellten sich die Läufer auf der großen Wiese in langen Schlangen an. Jeweils 25 - 30 Schulbusse fuhren vor. Einsteigen & Abfahrt! Die nächsten Bitte!
Mit dem Schulbus nach Hopkinton (Bildquelle: Internet) |
In Hopkington angekommen ging es auf mehrere Wiesen, welche dem persönlichen Startblock zugeordnet waren. Hier fand man in Zelten Tee, Kaffee & Donuts. Coole Musik aus vielen Lautsprechern und das ganze bei sonnigen Wetter machten das Warten zum echten Happening!
Es war absolut beeindruckend, dass überall am Streckenrand, selbst mitten im Wald Menschen standen um uns Läufer anzufeuern! Der erste Höhepunkte war das Wellesley College mit dem berüchtigten "Scream Tunnel". Die Schülerinnen standen auf fast 500m dicht gedrängt und feuerten die Läufer mit einem ohrenbetäubenden "Kreischkonzert" an. Auf Schildern forderten Sie "Kisses" von Ihren Laufhelden!
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Hinter der Ziellinie! Copley Square Boston |
Ein Läufer unserer Reisegruppe kam am "Gepäckwagen" an und berichtete von einer riesigen Rauchwolke. Er war sich sicher, dass die Ursache eine Explosion gewesen war. Zu meiner weiteren Beunruhigung, war er der Meinung, dass die Explosion am Anfang der Zielgeraden auf der Boylston Street stattgefunden hätte. Dort hatte mich kurz vor dem Ziel meine Frau noch angefeuert! Meine Sorge wuchs! Ohne langes Umziehen packte ich meine Sachen und ging zügig zur sogenannten "Family-Meeting Zone". Dabei überquerte ich ca. 5 Minuten nach den Explosionen die Kreuzung hinter der Zielgeraden!
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Das Ziel lag 400m weit weg in "gespenstiger Ruhe". Kein Rauch! Alles ruhig! Zügig suchte ich den Weg zum Treffpunkt! Immer häufiger fiel mir die Unruhe bei den Verantwortlichen, mit ihren Funkgeräten am Ohr, auf. Das zunehmende Sirenengeheul aus der Ferne und die verängstigte Gesichter beunruhigen mich zusätzlich und ich ging immer schneller. Mir war zu diesem Zeitpunkt, ca. 10 Minuten nach den Explosionen immer noch nicht bewußt, was hier heute passiert war!
Auf dem weiteren Weg kamen mir immer wieder LäuferInnen entgegen, die von Volunteers begleitet wurden und am Weinen waren. Diese LäuferInnen waren damals aus dem Erste-Hilfe Zelt hinter der Ziellinie evakuiert worden, als die ersten Schwerverletzten dort hineingebracht wurden. Schreckliche Bilder hatten Sie traumatisiert. Endlich am Treffpunkt angelangt, war ich glücklich, das meine Frau sicher angekommen war. Sie hatte sich aufgrund der vielen Zuschauer auf der Zielgerade entschieden, einen Umweg zur Meeting Zone zu gehen. Gott sei Dank! Die Explosionen hörte Sie, als sie gerade hinter dem Häuserblock über eine Parallelstraße ging. Niemand aus unserer Reisegruppe wusste zu diesem Zeitpunkt etwas genaueres. Es waren ca. 20 Minuten vergangen und wir standen parallel zur Ziellinie nur 2 Blocks weiter und waren ahnungslos!
Ahnungslos in der Family-Meeting Zone |
Unser Hotel war nicht weiter entfernt. Aufgrund der unklaren Situation und dem mittlerweile permanenten Sirenengeheul entschlossen wir uns dorthin zurückzukehren. Gemeinsam mit Freunden gingen wir durch eine Einkaufspassage Richtung Hotel. Gerade noch rechtzeitig, denn die Sicherheitskräfte hatten mittlerweile das gesamte Gebiet zur Evakuierungszone erklärt und begannen die Zugänge zu sperren und die Menschen aufzufordern die Passage zu verlassen. Unser Hotel war am Ende der Passage und deshalb durften wir weitergehen. In einem Lokal mit Großbildschirm wurden wir zum ersten mal mit den schrecklichen Ereignissen konfrontiert. Dort sah man nicht mehr die Bilder von abgekämpften aber glücklichen Läufer im Zieleinlauf. Dort sahen wir zu unserem Entsetzen blutverschmierte Menschen, Schwerverletzte, zertrümmerte Hausfassaden - Bilder wie aus Kriegsgebieten. Ein Grauen kurz vor der Ziellinie!!!
(Bildquelle: Internet) |
Was wir mit Entsetzen ebenfalls erkannten, dass die beiden Explosionsorte ein gutes Stück auseinander lagen! Das konnte kein Unfall gewesen sein. Lange durften wir hier nicht mehr stehen. Die Sicherheitskräfte wurden immer nervöser und schwerbewaffneten SWAT -Teams räumten mit Nachdruck die öffentliche Bereiche! Wir hatten den Startplatz und die Reise über InterAir-Sportreisen gebucht und wir waren die größte Gruppe deutscher Läufer beim Boston Marathon. Zügig trafen wir uns in der Hotellobby um unsere Vollständigkeit zu überprüfen. Die meisten waren schon da! Die Begleiter von InterAir-Sportreisen hatten einiges zu tun, blieben jedoch ruhig und organisierten alles professionell! Anhand der Durchgangszeiten der anderen konnten wir kalkulieren, dass Sie nach dem Abbruch des Marathons irgendwo weit vor den schrecklichen Ereignissen am Streckenrand "gestrandet" waren. Diese Läufer wurden, wie wir später erfuhren, in Altenheimen oder Turnhallen versorgt.
Der Marathon wurde abgebrochen! |
Trotzdem begann für die Angehörigen eine lange Zeit des Wartens! Das Mobilnetz war aus Sicherheitsgründen mittlerweile abgeschaltet worden - Kontaktaufnahme unmöglich! Ich war sehr froh, dass ich meinen Eltern und meiner Tochter noch aus der Family-Meeting-Zone heraus angerufen hatte und dabei mitgeteilt hatte, dass "etwas" passiert ist, wir nicht wissen was, es uns jedoch gut geht! In der Hotellobby wurden immer neue Gerüchte laut und das ständige patrouillieren der schwerbewaffneten SWAT-Einheiten mit Sprengstoffspürhunden in der Lobby beunruhigte uns. Man sprach davon dass es noch mehr versteckte Sprengsätze gäbe und plante zeitweise die Räumung unseres Hotels. Bis zum Abend war unser Hotel (mitten im Sperrgebiet) zu einem Hochsicherheitstrakt geworden! Vor den Haupteingang standen gepanzerte Fahrzeuge sowie bewaffnete Sicherheitskräfte der SWAT-Einheit. Ein zweiter Sperriegel mit größerem Radius wurde später von GI´s des US-Militär organisiert.
Vor unserem Hotel |
Diese machten es auch den "Spätheimkehrern" unserer Gruppe schwer in das Hotel zurückzugelangen. Trotzdem waren am frühen Abend wieder alle wohlbehalten zurück! Die schreckliche Wahrheit war jedoch dass viele Menschen, die uns Läufern auf den letzten Metern so enthusiastisch angefeuert hatten, durch ein Attentat nun schwerverletzt um Ihr Leben kämpften oder Tod waren! Insgesamt starben 3 Menschen und es gab 264 Verletzte!
Die deutsche Presse hatte in der folgenden Nacht ganze Arbeit geleistet! Irgendwie hatten Sie die Namen der deutschen Teilnehmer recherchiert und über Anrufe bei Angehörigen herausgefunden, wo sich die Hotels der deutschen Läufer befanden. Da wir die größte Reisegruppe waren, glich die Lobby unseres Hotels am nächsten Morgen einem Fernsehstudio mit diversen Teams und Pressevertretern aller großen Zeitungen. Hier gab es kein Entrinnen. Fragen Fragen Fragen! Entweder man blieb auf dem Zimmer oder flüchtete aus dem Hotel.
Boylston Street (Bildquelle: Internet) |
Die Verfolgungsjagd nach den Attentätern"kreuz & quer durch Boston" haben wir selbst nicht mehr erlebt. Am zweiten Tag nach dem Marathon setzten wir unsere Reise, wie geplant in Richtung Philadelphia, fort. Die Ereignisse dieser Tage haben mich bis heute jedoch immer wieder beschäftigt. Vor allem, dass ich an zwei Bomben vorbeigelaufen bin und nur der Zufall dafür verantwortlich ist, dass ich sicher im Ziel angekommen bin!
Bis bald
Presseartikel Boston 2013:
http://www.bild.de/news/ausland/terroranschlag/deutscher-laeufer-in-boston-entging-knapp-dem-bomben-horror-30042940.bild.html
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